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Streiks im Iran weiten sich aus: Lkw-Fahrer schließen sich Ölarbeitern an


Mit Streiks der Erdölarbeiter fing alles an.

Neben den Arbeitnehmern der Petroindustrie, die schon seit Wochen gegen ihre miserable Lage protestieren, ruft nun die Gewerkschaft der Transportbranche zum Widerstand auf und fordert verbesserte Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Auch das iranische Lehrpersonal geht auf die Barrikaden.


Die Streiks Zehntausender Arbeitnehmer im Iran weiteten sich aus, als vergangene Woche auch Lkw-Besitzer und -Fahrer und die Arbeiter der Eisenbahninstandhaltung in der Provinz Kerman angekündigt hatten, ab dem 22. Mai eine landesweite unbefristete Arbeitsniederlegung durchzuführen. So gab die Gewerkschaft der Lkw-Besitzer und -Fahrer am Donnerstag eine Erklärung ab, in der es hieß, ihre Beschwerden und kurzfristigen Streiks hätten keine Veränderung der Situation gebracht, weshalb sie eine lange und landesweite Aktion plane.


Unter Hinweis auf die steigenden Preise und die galoppierende Inflation forderte sie Entgelte, die den steigenden Preisen für Kraftstoff und Ersatzteile entsprechen. Seit ihrem letzten landesweiten Streik, der vor etwa fünf Jahren in über 160 Städten stattgefunden hatte, seien ihre Forderungen nicht erfüllt und ihr Leben damit noch schwieriger geworden.


Zu den Forderungen gehören bessere Transporttarife auf der Grundlage des Frachtgewichts pro Kilometer, niedrigere Preise für Ersatzteile, niedrigere Kraftstoffpreise durch Subventionen, die Abschaffung von Zolltarifen und Straßenbenutzungsgebühren sowie Sozial- und Gesundheitseinrichtungen an den Terminals: »Wir haben schon oft gesagt, dass unsere Geduld eine Grenze hat und eine solche Grausamkeit und Unterdrückung, die dieser hart arbeitenden Gruppe auferlegt werden, nicht länger toleriert werden kann«, hieß es in der Erklärung, die mit den Worten schloss: »Die Regierung sollte diese Warnung ernst nehmen.«


Schwerer Schlag für Regime


In den sozialen Medien wird der Streik der Lkw-Fahrer als schwerer Schlag für die Islamische Republik bezeichnet, da er die Wirtschaft weiter lähmen könnte. Der Streik wäre für das Regime dermaßen kostspielig, so die Erwartung, dass es die Frächter und Fahrer mit zusätzlichen Treibstoffsubventionen dazu bringen könne, den angedrohten Streik doch nicht anzutreten.


Die Erklärung erfolgte kurz nachdem die Arbeiter in über hundert Öl-, Gas-, Petrochemie- und anderen Anlagen im ganzen Land am 22. April in Streik traten, um gegen schlechte Arbeitsbedingungen, niedrige Löhne und steigende Lebenshaltungskosten zu protestieren. Fast alle der streikenden Beschäftigten in der Öl-, Gas-, Stahl-, Petrochemie- und anderen Industrien sind offiziell nicht angestellt und arbeiten mit befristeten Verträgen, sodass sie durch die Teilnahme an den Streiks den Verlust ihrer einzigen Lebensgrundlage riskieren.


Die Behörden behaupten, die Streiks würden von regierungsfeindlichen Gruppen organisiert, ein Vorwurf, den die Islamische Republik häufig erhebt, um die Forderungen der Arbeiter, die weniger als 180 Euro im Monat verdienen, zu entkräften. Ein Beamter des Gasfelds South Pars am Persischen Golf erklärte letzte Woche, 4.000 protestierende Arbeiter sollen durch neue ersetzt werden.


Auch Lehrer protestieren


Ebenfalls vergangene Woche kündigte der Koordinationsrat der Lehrerverbände landesweite Demonstrationen an und rief Lehrer und Erzieher auf, am 9. Mai vor den Niederlassungen des Bildungsministeriums und dem Parlament in Teheran zu protestieren. Der Rat betonte die Notwendigkeit, die »Dominanz der herrschenden totalitären Ideologie« in den Schulen zu beenden und die derzeitigen inkompetenten Leiter des Bildungssystems durch solche zu ersetzen, die nach einer moderneren, säkularen Pädagogik ausgebildet wurden.


Neben seinen üblichen Forderungen nach besseren Gehältern und Arbeitsbedingungen bekräftigte der Lehrerrat, das Bildungssystem werde sich ohne grundlegenden Wandel nicht verbessern. »Ohne eine tiefgreifende und kritische Überprüfung der geistigen und politischen Grundlagen der herrschenden Ideologie, ohne eine kritische Umstrukturierung der Schulverwaltung und der Managementpraktiken, ohne die Akzeptanz der individuellen, kulturellen und sozialen Unterschiede der Schüler und ohne grundlegende Änderungen der bestehenden und gescheiterten Mechanismen der Schulverwaltung wird das Bildungssystem des Landes keine Früchte tragen.«


Die Erklärung erfolgte nur wenige Stunden nach einer Rede des Obersten Führers Ayatollah Ali Khamenei, die er auf einer Veranstaltung zum nationalen Lehrertag der Islamischen Republik vor einer ausgewählten Gruppe von Lehrern gehalten hatte. Darin sprach Khamenei über das Bildungssystem, erwähnte aber mit keinem Wort die monatelangen Gasangriffe auf Schulen im ganzen Iran, bei denen Tausende von Schülerinnen erkrankten und in Krankenhäuser eingeliefert werden mussten.


Statt diese Attacken, von denen über 130 Schulen betroffen waren, auch nur anzusprechen, redete Khamenei über die Durchsetzung der Ideologie des Regimes im Bildungssystem. Dabei sprach er von der Notwendigkeit, die Schulen unter staatlicher Kontrolle zu halten, ermutigte die Schüler, an religiösen Zeremonien in Moscheen teilzunehmen und lobte die alte Generation iranischer Lehrer, die ihre Schüler von 1980 bis 1988 in den Krieg gegen den Irak ziehen ließ. Nach Khameneis Ausführungen führte dies zum »Märtyrertod von 36.000 Schülern«.


Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von mena-watch

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