Weitgehend unbeachtet vom Rest der Welt versucht der Iran, seinen Einfluss in der strategisch wichtigen Region des Südkaukasus auszubauen.
Von Ali Hajizade
Washington kann als die Welthauptstadt der Thinktanks bezeichnet werden. Politische Entscheidungsträger aus aller Welt kommen hier zusammen, um zu forschen und sich für politische Initiativen einzusetzen. Neben einer Vielzahl von Schwerpunktbereichen befassen sich viele Organisationen mit der Untersuchung des Irans und seinen destruktiven Aktivitäten.
Die meisten von ihnen verfolgen und dokumentieren die iranischen Tätigkeiten im Nahen Osten sowie die Lobby- und Informationsaktivitäten für das iranische Regime in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten genau. Während somit dem iranischen Treiben in Syrien, im Irak und in der Golfregion viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, bleiben die iranischen Aktivitäten im Südkaukasus deutlich unterbelichtet.
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Vor etwa zehn Jahren fanden in Washington diesbezügliche Anhörungen statt, die vom Unterausschuss für Europa und Eurasien, einem Teil des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses, veranstaltet wurden. Leider hat dies in den folgenden Jahren zu keiner nennenswerten Steigerung der Aufmerksamkeit für den Südkaukasus geführt.
An der Schnittstelle
Obwohl die Region aufgrund ihrer Lage an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien schon immer wichtig war, hat ihre Bedeutung sowohl in Bezug auf die Logistik als auch auf die Gewährleistung der Energiesicherheit Europas seit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine drastisch zugenommen. Gleichzeitig nutzt der Iran die Region seit geraumer Zeit für seine Zwecke, insbesondere für die Lieferung von Waffen an Russland, die in dem blutigen Krieg in der Ukraine eingesetzt werden.
Praktisch alle iranischen Aktivitäten in der Region werden von einem Nebel aus Propaganda begleitet, und Teheran bedient sich eines Chors lokaler nützlicher Idioten, um seine Narrative zu verbreiten sowie seine Gegner anzugreifen.
Die Islamische Republik begann sich nach dem Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien im Jahr 2020 Sorgen um ihren Einfluss in der Region zu machen. Aus ihrer Sicht drohte die »Schließung der Nordroute für den Iran«, die seit geraumer Zeit von den Revolutionsgarden und dem Regime im Allgemeinen für ihre fragwürdigen Zwecke genutzt wird. Obwohl diese aktuell nicht droht, lebt das iranische Regime in seiner eigenen Realität. Seine Befürchtungen – und mehr noch seine Ambitionen – haben es veranlasst, »aktive Maßnahmen« im Südkaukasus zu verstärken.
Weit verzweigtes Netzwerk
Das umfangreiche Netzwerk, das der Iran nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion jahrelang in der Region aufgebaut hatte, wurde in den letzten Jahren hyperaktiv. Es ist klar, dass der Iran mehr als genug Zeit hatte, sowohl eine Informationsinfrastruktur als auch ein Netzwerk von relevanten Personen aufzubauen. Aserbaidschan war ein offensichtliches Primärziel, da es auch ein Land mit einer überwiegend schiitischen Bevölkerung ist.
Darüber hinaus unternahmen die iranischen Geheimdienste intensive Aktivitäten in Gebieten im Südkaukasus, die eine hohe Konzentration von schiitischen Aserbaidschanern aufweisen, wie zum Beispiel Borchali im südöstlichen Teil Georgiens oder Süddagestan. Anders als in Aserbeidschan, wo man gegen iranische Geheimdienstaktivitäten vorgeht, nutzt Teheran diese Gegenden, in denen es relativ ungestraft operieren kann. Sie dienen als eine Art Startrampe zur Durchführung von Operationen eines umfassenden Informationskriegs in der Region.
Der Iran beschränkt sich bei seinen Tätigkeiten allerdings nicht nur auf den Kaukasus. Schon im Jahr 2018 habe ich auf iranische Machenschaften in Georgien sowie auf die Risiken, die durch sie für die Region und die Europäische Union entstehen aufmerksam gemacht. Die Tatsache, dass die iranischen klandestinen Dienste dabei auf von ihnen rekrutierte Aserbaidschaner zurückgriffen, zeigt deutlich, auf welchem Weg der Iran seinen Einfluss geltend machen will. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass Georgien zusammen mit Aserbaidschan für die Lieferung von Energieressourcen aus dem Kaspischen Meer und Zentralasien nach Europa, in die Türkei und sogar nach Israel von entscheidender Bedeutung ist.
Propaganda auf Aserbeidschanisch
Eines der wichtigsten Elemente der iranischen Informationskriegsoperationen im Südkaukasus ist der Propaganda-Fernsehsender Sahar, der in aserbaidschanischer Sprache sendet. Überhaupt ist Aserbaidschanisch die Hauptsprache der iranischen Propaganda und Desinformation, die auf den Südkaukasus und die Millionen von Menschen aus der Region abzielt, die in Russland leben. Unzählige Websites, Telegram- und YouTube-Kanäle, Twitter- und Instagram-Konten, Facebookseiten und große Mengen an gedruckter Literatur verbreiten rund um die Uhr in aserbaidschanischer Sprache antisemitische, antiamerikanische und manchmal auch antitürkische Narrative des Irans.
Seit geraumer Zeit widmet die iranische Propaganda einen Großteil ihrer Aufmerksamkeit der Kritik an der aserbaidschanischen Führung und beleidigt sie sogar regelrecht, begleitet von Botschaften und Videos mit militärischen und terroristischen Drohungen gegen das Land. Der Höhepunkt der Konfrontation war ein Anschlag auf die aserbaidschanische Botschaft in Teheran am 27. Januar. Dabei wurde der Leiter des Sicherheitsdienstes getötet, zwei weitere Personen wurden verletzt. Nach diesem Anschlag setzte die Botschaft ihren Betrieb aus.
Dem Angriff auf die Botschaft folgte eine starke Zunahme geheimdienstlicher Aktivitäten des Irans und seiner Stellvertreter im Südkaukasus. Innerhalb von weniger als zwei Monaten wurde ein Mordanschlag auf den Parlamentsabgeordneten Fazil Mustafa verübt, der als offener Kritiker des Irans bekannt ist. Er erlitt mehrere Schussverletzungen, überlebte aber den Anschlag.
Etwa zur gleichen Zeit verhaftete der aserbaidschanische Geheimdienst eine Gruppe iranischer Agenten, die aserbaidschanische Staatsbürger waren. Sie hatten im Auftrag iranischer Kontaktpersonen verschiedene Aufträge ausgeführt. Bemerkenswert ist, dass fast alle von ihnen aktive Nutzer pro-iranischer, radikaler Telegram-Kanäle waren und einige von ihnen im Rahmen des vom Obersten Führer Khamenei ausgerufenen »Informationsdschihad« auf Befehl der iranischen Geheimdienste pro-iranische Telegram-Kanäle unterhalten haben.
Die Zunahme iranischer Aktivitäten in der Südkaukasusregion, die zwischen dem Iran und Russland liegt und wegen ihrer Öl- und Gasvorkommen geopolitisch von großer Bedeutung ist, verdient deutlich mehr Aufmerksamkeit, als ihr bisher zugekommen ist. Eine Ausweitung des iranischen Einflusses würde nicht nur die Stabilität der Region, sondern auch jene von Europa und dem Rest der Welt bedrohen.
(Ali Hajizade ist Experte für Informationskriegsführung im Nahen Osten. Der Artikel ist auf Englisch vom Jewish News Syndicate veröffentlicht worden. Übersetzung von Florian Markl.)
Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von mena-watch
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