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Über die iranische Revolution und das historische Versagen der EU

Von Lukas Herrmann




Die Europäische Union vergeudet aktuell die historische Chance, eine demokratische und feministische Revolution im Iran zu unterstützen. Die revolutionäre Bewegung der Iraner*innen steht im klaren Kontrast zum „Demokratisierungsprojekt“ des anglo-amerikanischen Bündnisses, das im Jahr 2003 den Irak überfiel, da die Revolution in Gänze aus der iranischen Bevölkerung kommt. Bis zum heutigen Tag hat der Westen, wann immer es pro-demokratische Proteste im Iran gab, diese stets ignoriert oder der Islamischen Republik indirekt seine Unterstützung zugesagt.


Aber dieses Mal ist alles anders! Vor einigen Wochen kam es zu einem historischen Abstimmungsergebnis im Europäischen Parlament, als sich die Abgeordneten fast einstimmig für die Terrorlistung der IRGC aussprachen. Darüber hinaus gab der ehemalige US-Präsident Barack Obama vor wenigen Monaten zu, dass es ein Fehler war, im Jahr 2009 das „Green Movement“ der iranischen Bevölkerung nicht zu unterstützen. Obwohl die revolutionären Proteste im Iran auf einem seit 1979 unerreichten Niveau angelangt sind, haben weder die USA noch die EU sich klar auf der Seite der Revolution positioniert (u.a. erkennbar an der Weigerung der EU, das Votum des Europäischen Parlamentes umzusetzen). Tatsächlich sehen wir eine Kontinuität und in manchen Fällen gar eine Vertiefung der Beziehungen zwischen der Islamischen Republik und ihren westlichen Handelspartnern.


„Das von den Mullahs propagierte Schreckensszenario bereitet ihren westlichen Handelspartnern Angst“

Bei jeder demokratischen Bewegung, durch die sich die Mullahs unter Ayatollah Ali Khamenei bedroht fühlten, hat die Islamische Republik behauptet, dass das Land ohne sie zu einem neuen Syrien oder Afghanistan werden und in einen verheerenden Bürgerkrieg stürzen würde. Das klerikale Regime nutzt diese Behauptung bei jedem Zeichen von Bedrohung, auch wenn sie nicht ferner von der Wahrheit sein könnte, was am unglaublichen Zusammenhalt innerhalb der iranischen Bevölkerung erkennbar ist. Jedoch wissen die Mullahs, dass das von ihnen propagierte Schreckensszenario ihren westlichen Handelspartnern Angst bereitet, und genau darauf zielen sie ab.


Dies trifft insbesondere auf Deutschland zu, dessen wirtschaftliche Beziehungen zum islamistischen Terrorstaat weit tiefer gehen, als der Öffentlichkeit bewusst ist. Kein weiteres europäisches Land treibt so viel Handel mit dem Regime wie Deutschland. Des Weiteren gestattet die Bundesregierung der Islamischen Republik, ein radikales islamistisches Netzwerk innerhalb Deutschlands zu kontrollieren, das vom Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) angeführt wird. Aus dem Jahresbericht des Verfassungsschutzes geht hervor, dass das IZH von Ayatollah Khamenei kontrolliert wird, dem „Obersten Führer“ der Islamischen Republik, und die Islamische Revolution auf Deutschland ausweiten soll.

„Der Atomdeal dient der Stärkung und Legitimierung der klerikalen Autokratie auf der internationalen Bühne“

Über den JCPoA

Der „Joint Comprehensive Plan of Action” oder Atomdeal dient der Stärkung und Legitimierung der klerikalen Autokratie auf der internationalen Bühne. Zudem sendet er ein klares Signal an die Ayatollahs: „Ihr könnt mit der Unterdrückung und massenhaften Ermordung der iranischen Bevölkerung, der Entführung und Hinrichtung ausländischer Staatsbürger*innen sowie der geplanten Vernichtung Israels weitermachen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.“ Daher ist es von essenzieller Bedeutung, dass der Westen, der nach wie vor den JCPoA als einziges Mittel der Verhinderung eines nuklear bewaffneten Terrorstaates bewirbt, sich von der Illusion lossagt, dass die Mullahs vertrauenswürdige Verhandlungspartner seien, die ein solches Abkommen einhalten würden. Durch das vehemente Festhalten an Verhandlungen, selbst bei mittlerweile von der Islamischen Republik zu 84% angereichertem Uran sowie der bevorstehenden Hinrichtung von EU-Staatsbürger*innen, sendet der Westen ein Signal der Schwäche und Erpressbarkeit gen Teheran.


Darüber hinaus wirft er den Mullahs durch den Deal eine Rettungsleine zu, während diese verzweifelt versuchen ihren Sturz durch die iranische Bevölkerung zu verhindern. Ein neu verhandelter JCPoA würde der Islamischen Republik hunderte Milliarden an eingefrorenen Geldern zur Verfügung stellen, die sie nutzen würde, um die Revolution niederzuschlagen und ihr ballistisches Raketenprogramm voranzutreiben, während sie im Geheimen weiter am Bau der Atombombe arbeitet. Dies ist der Grund, aus dem die im Westen aktiven Lobbyorganisationen des Regimes, allen voran NIAC, seit Jahren den Atomdeal bewerben. Ein gutes Beispiel hierfür ist ein Brief, den NIAC an den damals frisch gewählten President-elect Joe Biden schrieb, um ihn zur Rückkehr zum JCPoA zu drängen.


Über die geopolitische Bedeutung der demokratischen Revolution im Iran


Es gibt sieben zentrale Aspekte, die bei der Diskussion der geopolitischen Bedeutung der iranischen Revolution genannt werden müssen:


  1. Ein demokratischer Iran wäre ein natürlicher Verbündeter der EU und der USA in einer Region, in der Demokratie und die Achtung von Menschenrechten alles andere als die Norm sind. Er könnte ein wichtiger Handelspartner sein, der, im Gegensatz zur Islamischen Republik, andere Länder nicht durch die Entführung und Hinrichtung ihrer Staatsbürger*innen erpresst, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Der Iran verfügt über einige der weltweit größten natürlichen Vorkommen an Öl und Gas sowie zahlreicher weiterer Rohstoffe, die dabei helfen könnten, die Abhängigkeit der EU von autokratischen Regimes zu reduzieren.

  2. Mit dem Fall der Islamischen Republik würde die Hauptursache für Instabilität und Terror im Mittleren Osten wegfallen. Das theokratische Regime ist durch seine Proxies in Syrien, Libanon, Irak sowie zahlreichen weiteren Ländern aktiv und finanziert Terrorgruppen wie die Hisbollah und Hamas. Sein Untergang würde zu mehr Stabilität in der Region führen, wovon die EU unmittelbar profitieren würde. Ohne die Gelder, die die Mullahs an Terrororganisationen zahlen, sowie die Einmischung der IRGC in Irans Nachbarländern würden weniger Menschen sich dazu gezwungen sehen, als Flüchtlinge nach Europa aufzubrechen. Damit würde nicht nur ein zentraler Streitpunkt zwischen den Mitgliedsstaaten der EU wegfallen, sondern auch die Erpressbarkeit der EU durch die Türkei reduziert werden, deren Präsident der EU regelmäßig mit einer „Öffnung der Grenzen“ droht.

  3. Der Konflikt zwischen der Islamischen Republik und Israel hält bereits seit vielen Jahren an. Dies ist wenig verwunderlich, ist die Vernichtung Israels doch schließlich erklärtes Ziel des klerikalen Terrorstaates. Durch den Sturz der Mullahs würde die konstante Bedrohung der Existenz Israels wegfallen, und die beiden Länder könnten ihre alten freundschaftlichen Beziehungen wiederherstellen, die sie vor der Machtergreifung Khomeneis hatten. Tatsächlich geht die gemeinsame Geschichte der israelischen und iranischen Bevölkerung über 2500 Jahre zurück, als Kyros der Große (auf persisch Kourosh-e bozorg/ kabir) Babylon eroberte und den dort gefangenen Israeliten gestattete, in ihre Heimat zurückzukehren und dort ihren Tempel wiederaufzubauen.

  4. Ein weiterer zentraler Aspekt, der bei der Thematisierung der zahlreichen positiven Folgen der Revolution der iranischen Bevölkerung miteinbezogen werden muss, ist, dass durch sie nicht nur Länder im Mittleren Osten, sondern auch im Westen sicherer werden würden, insbesondere für die iranische und israelische Diaspora. Die Islamische Republik ist dafür bekannt, dass sie iranischstämmige Bürger*innen in anderen Ländern bedroht, entführt und ermordet. Des Weiteren steht im Iran die Hinrichtung von deutschen und schwedischen Bürger*innen unmittelbar bevor. Auch laufen in Deutschland aktuell Ermittlungen wegen Anschlägen auf Synagogen, von denen vermutet wird, dass sie auf das Konto der IRGC gehen. In Anbetracht von Deutschlands Geschichte sollte die Bundesregierung eine noch weit stärkere Verpflichtung spüren, die demokratische Revolution gegen ein Regime zu unterstützen, das die Vernichtung Israels plant, den Holocaust leugnet und jüdische Menschen überall auf der Welt bedroht.

  5. Für viele Jahre haben die befürchteten Folgen von Chinas Imperialismus und wirtschaftlichem Expansionismus westlichen Politiker*innen Sorgen bereitet. Unter der Herrschaft der Ayatollahs ist der Iran zu einem wichtigen strategischen Partner Pekings im Mittleren Osten geworden. Nachdem der aktuelle Präsident der Islamischen Republik, Ebrahim Raisi, sein Amt antrat, haben China und die Islamische Republik ein Abkommen über die kommenden 25 Jahre abgeschlossen, das China weitreichende Rechte zur Ausbeutung der iranischen Ressourcen sowie zur Stationierung von Militär auf iranischem Boden gibt. Sich auf die Seite der iranischen Bevölkerung zu stellen und ihre Revolution zu unterstützen, würde somit auch dem chinesischen Imperialismus sowie dem Einfluss Pekings im Mittleren Osten entgegenwirken.

  6. In den letzten beiden Jahrzehnten hat der Westen mit einem massiven Glaubwürdigkeitsproblem in Bezug auf die Unterstützung von Demokratie und Menschenrechten zu kämpfen gehabt. Dies ist ein vielschichtiges Problem, jedoch sind die beiden ausschlaggebenden Gründe hierfür der Irakkrieg im Jahr 2003 sowie der konstante Ausbau von diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Autokratien wie der Islamischen Republik, China und Russland. Durch eine klare Unterstützung der demokratischen Revolution, die aus der Mitte der iranischen Bevölkerung kommt und für Gleichberechtigung und friedliche Beziehungen zu anderen Ländern steht, könnte der Westen ein Stück der Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, die er auf der internationalen Bühne einmal gehabt haben mag.

  7. Der Sturz einer Diktatur wie der Islamischen Republik, die einen brutalen Polizeistaat mit omnipräsenter Überwachung der Bevölkerung errichtet hat und alle Teile der Gesellschaft zu kontrollieren sucht, könnte als Präzedenzfall dienen und künftige Revolutionen in anderen autokratisch regierten Ländern inspirieren. Er könnte ein Hoffnungsschimmer für die Menschen in Afghanistan, China und vielen anderen Ländern sein, die sich ein Leben in einem demokratischen Staat wünschen, der Teil der internationalen Gemeinschaft ist und ihre Würde und Menschenrechte respektiert.



Im Iran herrscht eine tiefgehende Sehnsucht nach Demokratie, die spätestens seit der Konstitutionellen Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts beständig gewachsen ist. Es ist an der Zeit, dass der Westen einsieht, dass es keine Rückkehr zum Status quo mit der Islamischen Republik geben kann und dass die positive Wirkung der Etablierung einer Demokratie im Iran weit über die Grenzen des Landes hinausreichen wird.

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