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Kritik an Ernennung: "Kein Vorsitz für Iran auf UN-Forum!"


Ali Bahreini, Botschafter und Ständiger Vertreter der Islamischen Republik bei den Vereinten Nationen

Trotz massiver Unterdrückung wurde der Iran zum Vorsitzenden des Sozialforums 2023 des UN-Menschenrechtsrats gewählt. Iranische Aktivisten berichten über beispiellosen Druck auf die Zivilgesellschaft.


Ein iranischer Diplomat soll im November 2023 den Vorsitz des Sozialforums des UN-Menschenrechtsrates (UNHRC) übernehmen. Václav Bálek, Präsident des UNHRC, gab in einem Brief vom 10. Mai 2023 die Ernennung des iranischen Außenpolitikers bekannt. Ali Bahreini, Botschafter und Ständiger Vertreter der Islamischen Republik bei den Vereinten Nationen, sei aus einer Reihe von regionalen Gruppen nominierten Kandidatinnen und Kandidaten ausgewählt worden.


Das Sozialforum des UN-Menschenrechtsrates wird am 2. und 3. November 2023 in Genf stattfinden. Es wird sich auf den Beitrag von Wissenschaft, Technologie und Innovation zur Förderung der Menschenrechte, auch in Zeiten der Corona-Pandemie, konzentrieren. 


Enttäuschte Aktivisten 


Im Gespräch mit der Deutschen Welle äußerte Mariam Claren ihr Entsetzen über die Entscheidung. Mariam Claren ist die Tochter der im Iran inhaftierten Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi. "Als Tochter einer politischen Gefangenen, die seit mehr als zwei Jahren die Willkür und Menschenrechtsverletzungen des Regimes am eigenen Leib erfährt, stellt sich mir ernsthaft die Frage nach den Werten der Vereinten Nationen."


Nahid Taghavi wurde im Oktober 2020 verhaftet und anschließend im Eilverfahren zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Die Anklage lautete Störung der nationalen Sicherheit und Verbreitung staatsfeindlicher Propaganda. Beweise dafür wurden nicht vorgelegt. "Ich frage mich, wie es sein kann, dass ein Land mit solchen Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen den Vorsitz eines UNHCR-Forums übernehmen kann", sagt Tochter Mariam Claren.


Angesichts des zunehmenden Drucks auf die Zivilgesellschaft nach den landesweiten Protesten, die durch den gewaltsamen Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini im Polizeigewahrsam ausgelöst wurden, fügt Claren hinzu: "Im Iran werden täglich Menschen hingerichtet. Mehr als 20.000 politische Gefangene sitzen hinter Gittern. Wer seine Grundrechte einfordert, wird auf der Straße erschossen. Diese Entscheidung ist eine Ohrfeige für alle Iranerinnen, Iraner und Freiheitsliebenden." Aktuell droht vielen Männern im Iran die Todesstrafe.


Widersprüchliche Botschaften vom UNHRC


Der UN-Menschenrechtsrat hatte im November 2022 in einer Resolution gegen den Iran unabhängige Untersuchung der Gewalt der iranischen Führung gegen friedliche Demonstrierende gefordert. "Die Ernennung eines iranischen Beamten zum Vorsitzenden eines UNHRC-Forums, während der Rat die Ermordung Hunderter friedlicher Demonstranten durch die Islamische Republik untersucht, spiegelt eine schockierende ethische Blindheit wider", sagt Hadi Ghaemi, Vorsitzender der in New York ansässigen Menschenrechtsorganisation Center for Human Rights in Iran (CHRI).


Seine Organisation fordert Regierungen weltweit auf, direkt mit dem tschechischen UNHRC-Präsident Václav Bálek zu kommunizieren und die sofortige Rücknahme dieser Ernennung zu fordern, um die Legitimität und Glaubwürdigkeit des UNHRC zu wahren.


Spätfolgen der Pandemie für Iran unklar


Ein wichtiges Thema auf dem UNHCR-Sozialforum wird die Spätfolgen der Corona-Pandemie sein. Allerdings ist es immer noch unklar, wie viele Menschen im Iran aufgrund des katastrophalen Pandemiemanagements gestorben sind. Die Behörden hatten zuerst die Ausbreitung des Virus im Iran geleugnet. Kritiker sagen, dass sie versäumt hätten, angemessene Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu ergreifen, und später Verschwörungstheorien über die im Westen produzierten Impfstoffe verbreitet hätten. 


Insbesondere wurden kaum Anstrengungen unternommen, um die Ausbreitung des Virus in den Gefängnissen einzudämmen. Der iranische Dichter und Filmemacher Baktash Abtin zum Beispiel starb im Januar 2022 an den Folgen seiner Corona-Erkrankung. Laut seiner Familie war er trotz bekannter Corona-Infektion erst viel zu spät ins Krankenhaus verlegt worden.


Jafar Azimzadeh hatte Glück und überstand die Infektion im Gefängnis. Das Gewerkschaftsmitglied gehört zu den wenigen Aktivisten, die momentan noch bereit sind, mit ausländischen Medien zu sprechen. "In den letzten Monaten ist der Druck enorm gestiegen. Die Unterdrückung der Zivilgesellschaft ist im Vergleich zur Situation der letzten 20 Jahre beispiellos", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle.


Azimzadeh ist Vorsitzender der "Freien Arbeiterbewegung im Iran". Der 57-Jährige wurde in den letzten 20 Jahren mehrfach verhaftet. Ein Revolutionsgericht in Teheran verurteilte ihn zuletzt zu sechs Jahren Haft im März 2015 wegen Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit und der Verbreitung von Propaganda gegen das System. "Als langjähriger Gewerkschaftsaktivist kann ich mich nicht erinnern, jemals so viele Gewerkschaftsaktivisten in Gefängnissen gehabt zu haben. Jede kritische Stimme wird sofort unterdrückt. Es reicht, wenn sich eine Person zweimal kritisch über das Regime äußert, um im Gefängnis zu landen."


Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Welle


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