US-Präsident Joe Biden hat sich wohl entschieden, wie er auf den Tod von drei amerikanischen Soldaten bei einem Drohnenangriff in Jordanien reagieren will. Welche Möglichkeiten haben die USA? Von Andreas Noll
Am Freitag werden die sterblichen Überreste der am Sonntag getöteten GIs in ihrer Heimat erwartet. An der würdevollen Zeremonie wird auch US-Präsident Joe Biden teilnehmen. Er hat inzwischen angedeutet, sich für eine Antwort auf den Angriff entschieden zu haben, für den die USA vom Iran unterstützte Milizen verantwortlich machen. Oberstes Ziel sei es, eine weitere Eskalation zu verhindern. "Ich glaube nicht, dass wir einen weiteren Krieg im Nahen Osten brauchen", sagte Biden am Dienstag (30.01.) im Weißen Haus.
Nach Agenturberichten ist offenbar immer noch unklar, welche von mehreren vom Iran unterstützten Gruppen für den Angriff auf den Stützpunkt im Norden Jordaniens an der Grenze zu Syrien verantwortlich ist. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober kam es immer wieder zu Angriffen auf US-Soldaten in der Region. Das US-Militär zählte seit dem 18. Oktober insgesamt 166 Angriffe auf US-Militäreinrichtungen, davon 67 im Irak, 98 in Syrien und jetzt einen in Jordanien (Stand: 30.01.).
Der Drohnenangriff vom 28. Januar ist der erste seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas, bei dem US-Soldaten getötet wurden. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, sagte vor Journalisten, auch er werde die amerikanische Reaktion auf den Angriff nicht vorwegnehmen. Aus seinen Äußerungen lässt sich jedoch ableiten, dass die USA in mehreren Phasen reagieren werden. "Es ist sehr gut möglich, dass Sie einen abgestuften Ansatz sehen werden, nicht nur eine einzige Aktion, sondern möglicherweise mehrere Aktionen über einen bestimmten Zeitraum", sagte Kirby.
Militärische Maßnahmen
Iran und die USA sind in einer jahrzehntelangen Feindschaft verbunden. Der US-Thinktank Atlantic Council hat mehrere Experten zu möglichen Reaktionen befragt. Demnach ist es unwahrscheinlich, dass die USA gänzlich auf eine militärische Antwort auf den Angriff verzichten werden.
Die US-Streitkräfte, die mit mehreren Flugzeugträgern in der Region präsent sind, könnten gezielte Angriffe auf iranische Einrichtungen und Kräfte in der Region durchführen. Schließlich ist es der Iran, der zahlreiche Milizen in der Region finanziert und mit Waffen versorgt. Entsprechende Forderungen kommen vor allem aus dem republikanischen Lager im US-Kongress.
Denkbar wären Angriffe auf Marinestützpunkte, aber auch ein direkter Angriff auf Einheiten der Islamischen Revolutionsgarden. Bei einem israelischen Luftangriff in der syrischen Hauptstadt Damaskus wurden nach iranischen Angaben kürzlich mehrere Mitglieder der Revolutionsgarde getötet.
Die US-Streitkräfte könnten aber auch Stellungen der vom Iran unterstützten Milizen aus der Luft angreifen: in Syrien, im Irak oder anderswo in der Region. Israel fliegt immer wieder solche Angriffe, um strategische Einrichtungen, Waffenlager oder wichtige Militärführer zu treffen - und damit potenzielle Gefahrenquellen auszuschalten. Nahost-Expertin Kristin Helberg geht nicht davon aus, dass die USA den Iran direkt angreifen. "Ich würde sagen, dass es wahrscheinlicher ist, dass die USA chirurgische Schläge gegen iranische Einrichtungen außerhalb des Irans durchführen und den Iran nicht direkt bombardieren, um einen großen Krieg mit der Islamischen Republik zu vermeiden", so Helberg im DW-Interview.
US-Präsident Biden könnte aber auch Spezialoperationen oder verdeckte Aktionen gegen hochrangige iranische Führer oder Schlüsseleinrichtungen des Regimes anordnen. Hier wären Geheimdienste und Spezialkräfte gefordert.
Diplomatie und Politik
Auch wenn die amerikanische Reaktion eine militärische Komponente beinhalten dürfte, steht der US-Regierung auch ein breites Arsenal an politischen und diplomatischen Maßnahmen zur Verfügung. Washington könnte versuchen, die Regionalmacht Iran an den Verhandlungstisch zu bringen und eine politische Lösung zu suchen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die USA die internationale Isolierung Irans vorantreiben, um den Druck auf das Regime zu erhöhen.
Zu den möglichen politischen Maßnahmen gehört die weitere Verschärfung der bestehenden Wirtschaftssanktionen gegen den Iran. Washington könnte noch mehr Druck auf Drittstaaten und internationale Finanzinstitutionen ausüben, um die finanzielle Bewegungsfreiheit der iranischen Führung einzuschränken.
Aufrüstung und Abschreckung
Unmittelbar nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel haben die USA ihre militärische Präsenz in der Region verstärkt. Der tödliche Angriff auf den US-Stützpunkt in Jordanien könnte die Regierung in Washington nun dazu veranlassen, noch mehr Soldaten in die Region zu verlegen - um die Abschreckung zu erhöhen.
Auf technischer Ebene könnten die USA selbst ihre Fähigkeiten zur Abwehr von Drohnenangriffen verbessern und ihre Verbündeten in der Region besser ausrüsten. "Das große Dilemma ist, dass Vergeltung und Abschreckung bisher nicht funktioniert haben", analysiert Nahost-Expertin Helberg. "Die Vereinigten Staaten haben Dutzende von Vergeltungsangriffen durchgeführt, aber sie haben nur zu weiteren Angriffen geführt, zum Beispiel von den Huthis oder von den vom Iran unterstützten Milizen im Irak und in Syrien. Abschreckung funktioniert also nicht."
Blick in die Geschichte
In der Vergangenheit haben die USA auf Bedrohungen oder Angriffe im Nahen Osten häufig mit einer Mischung aus militärischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Reaktionen reagiert. Die gewählte Strategie hing von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von der Art der Bedrohung, der innenpolitischen Situation in den USA und der globalen geopolitischen Dynamik.
Bidens Vorgänger Donald Trump gab vor vier Jahren den Befehl, den populären iranischen General Qasem Soleimani in der irakischen Hauptstadt Bagdad mit einer Drohne zu töten. Trump hatte zuvor Soleimani indirekt für mehrere Anschläge verantwortlich gemacht - unter anderem für den Angriff pro-iranischer Milizen auf die US-Botschaft in Bagdad.
Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Welle
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