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Sittenpolizei aufgelöst – Teilerfolg oder Ablenkungsmanöver?

Teilerfolg oder Ablenkungsmanöver? Erster Durchbruch oder pure Propaganda? Im Iran ist laut Generalstaatsanwaltschaft die Sittenpolizei aufgelöst worden, die vor allem für die Einhaltung der Kleidungsvorschriften von Frauen zuständig war und im September auch Mahsa Amini aufgegriffen hatte.



„Die Justizbehörde werde sich weiterhin mit dieser gesellschaftlichen Herausforderung auseinandersetzen", zitierte die Tageszeitung „Shargh“ den Generalstaatsanwalt Mohammed-Dschafar Montaseri.


Experten sind indes skeptisch, denn: Die Mullahs sind nicht für Zugeständnisse bekannt - und die Menschen wollen keine Reformen, sondern die Abschaffung des gesamten Systems. „Bitte freue sich niemand über diese Sittenpolizei-Geschichte. Das ist Propaganda. Nichts anderes. Dasselbe höre ich aus dem Iran“, erklärte etwa die Journalistin Gilda Sahebi auf Twitter. „Wäre ein Zugeständnis an die Bürger auf der Straße!“, schrieb die deutsch-iranische Fernseh- und Onlinejournalistin Isabel Schayani. „Könnte aber sein, dass einfach nur etwas umorganisiert oder umbenannt wird. Was aber international und im Land den Eindruck erweckt, es bewege sich etwas.“


Ein „Zeichen der Schwäche“ erkennt die Journalistin Shahrzad Eden Osterer. Der Schritt sei ein Beleg dafür, „dass die Islamische Republik bröckelt.“ Und weiter: „Die Menschen wollen keine Reformen, sondern die Abschaffung des bisherigen Herrschaftssystems. Das Zurückrudern des Regimes ist ein wichtiger Meilenstein. Der Tocqueville-Effekt besagt genau das: Revolutionen passieren nicht, wenn despotische Repressionen am schärfsten sind. Sondern dann, wenn Despoten aus Verzweiflung Zugeständnisse machen. Dann nämlich kann der Unmut der Massen noch besser an die Oberfläche gelangen, der Umsturz besser geplant und umgesetzt werden. “




Der in London ansässige Exilnachrichtensender schreibt dazu: „Es ist nicht klar, ob es sich bei Montaseris Bemerkung um eine offizielle Entscheidung handelt, die von anderen Spitzenbeamten gebilligt wird, oder um einen Werbegag, mit dem die Behörden ihre Flexibilität unter Beweis stellen wollen. Bislang gibt es keine Stellungnahme der Strafverfolgungsbehörden oder der Präsidialverwaltung zu diesem Thema.“


Kamran Matin, Dozent für internationale Beziehungen an der Universität von Sussex, sagte gegenüber der Deutschen Welle, dass die Ankündigung des Generalstaatsanwalts mit Vorsicht zu genießen sei: Die iranische Sittenpolizei sei nicht Teil des Justizsystems, sondern werde von sogenannten Strafverfolgungsbehörden oder Polizeikräften betrieben. „Eine solche Ankündigung sollte eigentlich von dieser Institution bekannt gegeben werden, und das ist bisher nicht geschehen“, sagte Matin.




Präsident Ebrahim Raisi hat sich Medienberichten zufolge mit mehreren Ministern zu einem Krisengipfel getroffen. Details zur Agenda sind unbekannt, aber im Vorfeld habe es Spekulationen gegeben, es könnte um Forderungen der Demonstranten gehen, darunter die Revision der iranischen Verfassung und die Aufhebung des Kopftuchzwangs sowie Neuwahlen und ein Referendum zur Reform des politischen Systems des Landes.

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