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„Wenn die Solidarität stark genug ist, wird auch das Regime in Iran enden“

Wie beobachten IranerInnen, Exil-IranerInnen oder im Westen lebende Menschen mit iranischen Wurzeln die Proteste in Iran? Mit einem Fragebogen holen wir Stimmen ein. Diesmal: die in Teheran geborene Frankfurter Bürgermeisterin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg (Die Grünen).


Die Proteste in Iran halten seit Wochen an. Mit welchen Gefühlen oder Gedanken beobachten Sie diese aktuell?


Bürgermeisterin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg (DIE GRÜNEN im Römer), Foto: Katharina Dubno

Eskandari-Grünberg: Ich bin traurig und wütend. Traurig über den Tod einer jungen Frau, die einfach inhaftiert wird, nur weil ihr Kopftuch locker saß. Und dann in der Haft stirbt. Wütend, weil in Iran ständig Frauenrechte verletzt werden und diese systematische Unterdrückung wurde in den letzten Jahren auch noch verstärkt. Wenn Frauenrechte verletzt werden, werden Menschenrechte verletzt, und dann kann es keine Demokratie geben. Aber ich habe auch Hoffnung, weil nun so viele gegen die Zustände aufbegehren. Es geht ihnen um ganz universelle Rechte. Da sind Frauen die sagen: Ihr könnt uns inhaftieren, ihr könnt uns schlagen, aber wir geben nicht auf.

Haben Sie direkte Kontakte zur Bevölkerung in Iran? Falls ja: Was hören oder lesen Sie dort?

Eskandari-Grünberg: Ich nehme wahr, dass die Protestbewegung nicht nachlässt. Im Unterschied zu frühen Protestbewegungen nutzen die Medien als starke Waffe. Informationen verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Und das Regime weiß, dass diese Waffe sehr mächtig ist, weil die Welt mitbekommt, was da passiert.

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein? In welcher Phase sind die Proteste?

Eskandari-Grünberg: Internationale Solidarität hilft den Protestierenden in Iran. Ich freue mich, dass Vertreterinnen aller demokratischen Parteien das unterstützen. Ich wünsche mir noch mehr Einmischung von politischer Seite. Außenministerin Annalena Baerbock hat schon Sanktionen gegen das Regime in Iran gefordert, und auch Bundeskanzler Scholz hat – wenn auch spät – klare Worte gefunden. Das alles übt Druck auf das Regime aus und motiviert die Bewegung.

Anders als viele andere große Proteste und Revolutionen geht diese auf den Aufstand von Frauen zurück. Was macht die feministische Revolution so besonders?

Eskandari-Grünberg: Es sind vor allem die Bilder, die weltweit wahrgenommen werden. Auf mehreren Videos im Netz schneiden sich iranische Frauen die Haare ab, auch in anderen Ländern folgen Frauen aus Solidarität diesem Beispiel. Das ist ein ganz starkes Bild. Die Frauen sagen damit: Wenn meine Haare ein unerwünschter Reiz sind, dann verzichte ich lieber auf sie, schneide sie ab. Aber sie wollen sich nicht beugen und das Kopftuch tragen. Es gab sogar Männer, die sich aus Solidarität ihre Haare abrasiert haben, andere, die ein Kopftuch tragen. Sie drehen den Spieß um: Diese Bilder, da bin ich mir sicher, werden in die Geschichte eingehen.

Hierzulande – in Deutschland als auch anderen westlichen Ländern – wird das Thema in den Medien überlagert von anderen Themen wie dem Ukraine-Krieg. Was muss sich tun, um dies zu ändern?

Eskandari-Grünberg: Ich wünsche mir, dass die Medien in der Berichterstattung nicht nachlassen. Die Wahrnehmung des Themas darf nicht weniger werden. Nur dann besteht die Chance, dass die Demokratie in Iran siegen kann.

Was ist Ihre Prognose: In welche Richtung wird sich Iran bzw wird sich der Aufstand in den kommenden Monaten entwickeln?

Eskandari-Grünberg: Ich bin überzeugt, dass Gerechtigkeit und Menschlichkeit stärker sind als totalitäre Regime. Wer hätte gedacht, dass die DDR, dass der Nationalsozialismus ein Ende finden? Wenn die Solidarität stark genug ist, wird auch das Regime in Iran enden. Ich weiß nicht wann, aber ich weiß, dass es passieren wird.



Dr. Nargess Eskandari-Grünberg

  • geb. 20.02.1965 in Teheran (Iran)

  • Hochschulabschluss Diplom-Psychologin; Promotion zum Dr. phil.

  • Berufsabschluss Psychologische Psychotherapeutin

  • Psychologische Tätigkeit beim Deutschen Roten Kreuz (DRK)

  • als Psychotherapeutin in eigener Praxis niedergelassen

  • 2001 - 2008 Stadtverordnete

  • seit 24.04.2008 Mitglied des Magistrat

  • 01.08.2008 - 14.07.2016 Dezernentin für Integration

  • seit 09.09.2021 Bürgermeisterin sowie Dezernentin für Diversität, Antidiskriminierung und gesellschaftlicher Zusammenhalt

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