Seit anderthalb Jahren wartet der Iran auf erste Früchte einer umfassenden Kooperationsvereinbarung mit China. Präsident Raisi hofft jetzt in Peking auf Fortschritte.
Am Montagabend ist Irans Präsident Ebrahim Raisi für einen dreitägigen Staatbesuch nach China gereist. Er werde sich um die Umsetzung des umfassenden Kooperationsabkommens mit China bemühen, teilte der stellvertretende Leiter des iranischen Präsidialamtes für politische Angelegenheiten, Mohammad Jamshidi, Anfang der Woche mit. Jamshidi wies darauf hin, dass der Präsident bei seinem Besuch in China von den Ministern für Wirtschaft, Außenpolitik, Landwirtschaft, Straßenbau, Industrie und Erdöl sowie dem Gouverneur der iranischen Zentralbank begleitet wird.
"Das soll der Bevölkerung zeigen, dass es bei dieser Reise um Ergebnisse und den Austausch mit China geht", schreibt der Iran-Experte Amir Chahaki auf Anfrage der DW. "Die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen Irans mit der Europäischen Union sind stark zurückgegangen. Mit China hatte die Regierung im März 2021 einen 25-jährigen umfassenden Plan für Zusammenarbeit und Investitionen unterzeichnet. Einzelheiten dieser Zusammenarbeit, die triumphierend angekündigt wurde, sind Wirtschaftsfachleuten bis heute nicht bekannt. Umgesetzt wurde bis heute kaum etwas", stellt Chahaki fest.
Bekannt ist nur, dass Peking und Teheran fast 100 gemeinsame Projekte im Iran angehen wollten, etwa beim Aufbau von Infrastrukturen oder der Einrichtung von Freihandelszonen. Allerdings halten sich chinesische Investoren bislang zurück; sie befürchten negative Folgen durch die US-Sanktionen, wenn sie im Iran Geschäfte machen.
Chinas Beziehungen zu Irans arabischen Nachbarn
"Nach dem Besuch von Staatspräsident Xi Jinping in Saudi-Arabien im Dezember steht die Regierung in Teheran unter enormem Druck", sagt Iran-Experte Amir Chahaki und fügt hinzu: "Nicht nur, weil China die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien und den Mitgliedstaaten des Golf-Kooperationsrates ausbauen möchte. Präsident Xi hatte sich auf die Seite der arabischen Länder am Persischen Golf gestellt und indirekt den Anspruch der Vereinigten Arabischen Emirate auf drei iranischen Inseln im Persischen Golf anerkannt. Damit hat es aus Sicht der Iraner die territoriale Integrität des Landes infrage gestellt. Raisis Reise nach Peking soll nun die nach Osten orientierte und antiwestliche Außenpolitik der Islamischen Republik Iran untermauern".
China sei der wichtigste Handelspartner Irans, sagt der iranische Regierungssprecher Naser Kanaani am Montag auf einer Pressekonferenz: "Im vergangenen iranischen Jahr (21. März 2021 - 21. März 2022) hat China Waren im Wert von etwa 13 Milliarden Dollar in den Iran exportiert". Er betont weiter: "Im selben Zeitraum sind die iranischen Nicht-Öl-Exporte nach China auf einen Wert von fast 14 Milliarden Dollar gestiegen. Dies ist ein Anstieg von 58 Prozent gegenüber dem Vorjahr und macht China zum größten Abnehmer iranischer Exporte in diesem Zeitraum."
Welche Güter in diesen Nicht-Öl-Exporten enthalten waren, erwähnte Kanaani nicht. Fisch und Meeresfrüchte aus den iranischen Gewässern im Persischen Golf gehören seit 2018 zu den wichtigsten Nicht-Öl-Exporten nach China. Seit 2018 gibt es eine umstrittene Fischerei-Kooperation mit China, die der chinesischen Hochsee-Fischfangflotte den Einsatz in iranischen Gewässern erlaubt. Aus Sicht iranischer Fischer plündert China seither die iranischen Gewässer.
Traditionelle Fischer im Südiran leiden unter der Fischerei-Kooperation mit China
Abgesehen davon ist China der wichtigste Kunde für iranisches Öl. Laut der Nachrichtenagentur Reuters exportiert der Iran momentan trotz US-Sanktionen Rekordmengen an Öl. Unter Bezug auf das Energieberatungsunternehmen SVB International vermeldet Reuters, im vergangenen Dezember habe der Iran durchschnittlich 1,14 Millionen Barrel ( à 159 Liter) pro Tag exportiert - so viel wie in keinem anderen Monat des abgelaufenen Jahres. Auch im Januar zeichnet sich demnach ein neues Ausfuhr-Hoch ab. China gilt dabei als Hauptkunde für iranisches Öl. Die meisten iranischen Ölimporte würden allerdings als aus anderen Ländern stammend umdeklariert, schreibt Reuters weiter unter Verweis auf Experten der Beratungsfirma FGE.
In China soll Raisi laut der iranischen Nachrichtenagentur IRNA mit Staats- und Parteichef Xi Jinping zu privaten Gesprächen zusammentreffen. Dabei seien auch Begegnungen mit chinesischen Geschäftsleuten geplant. Xi und Raisi haben sich erstmals im vergangenen September in Usbekistan bei einem Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) getroffen. Dort hatte Raisi den Wunsch nach engeren Beziehungen beider Länder geäußert. Delegationen beider Länder sollen außerdem nicht näher benannte "Kooperationsdokumente" unterzeichnen.
"Der Iran und China haben im vergangenen Jahr eine umfassende strategische Partnerschaft formalisiert", schreibt die Expertin Sabena Siddiqi auf Nachfrage der DW. Siddiqi recherchiert und schreibt über Chinas geopolitische Interessen. "Die Bedingungen dieser Partnerschaft sind bis jetzt eher vage geblieben. Nun haben sich Iran und Russland weiter angenähert; Teheran soll Drohnen nach Moskau exportieren, die im Ukraine-Krieg eingesetzt werden. China scheint wahrzunehmen, dass Russland seinen Einfluss im Iran aufgrund der mangelnden Präsenz Pekings ausbauen könnte. Deshalb könnte es dieses Mal etwas mehr Fortschritte beim Ausbau der iranisch-chinesischen Partnerschaft geben."
Für Raisi steht viel auf dem Spiel bei dieser Reise. Die Islamische Republik steht unter enormem Druck, national und international. Die iranische Währung ist nach monatelangen Protesten, die brutal niedergeschlagen wurden, auf ein Rekordtief gefallen. Der Euro-Kurs erreichte fast 480.000 Rial, der US-Dollar kostet mehr als 420.000 Rial. Laut Devisenmaklern ist dies ein mehr als 25-prozentiger Anstieg seit Beginn der Proteste im September. Die Inflationsrate ist in den letzten sechs Monaten von knapp 35 Prozent auf fast 50 Prozent gestiegen.
Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Welle, Original-Text von Shabnam von Hein
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