Die iranischen Revolutionsgarden haben am Montag die Verantwortung für den Abschuss ballistischer Raketen auf Erbil, die Hauptstadt der autonomen Region Irakisch-Kurdistan, übernommen.
Die eng mit dem iranischen Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) verbundene iranische Nachrichtenagentur Tasnim berichtete, dass die von Washington seit April 2019 als Terrorgruppe eingestuften Revolutionsgarden eine Erklärung herausgegeben haben, in der es heißt, der Raketenangriff habe darauf abgezielt, »Spionagezentren und Versammlungen anti-iranischer Terrorgruppen« auszuschalten. In einer späteren Aussendung am frühen Dienstag behauptete das IRGC, dass bei den Bombardierungen in Erbil »drei Mossad-Stützpunkte« getroffen worden seien.
Die irakische Region Kurdistan unterhält sowohl autonome Verteidigungskräfte als auch eine autonome Regierung, untersteht aber technisch gesehen der irakischen Bundesregierung in Bagdad. Die Kurdische Regionalregierung (KRG) steht den USA seit Langem freundlicher gegenüber als die irakische Zentralregierung, da die amerikanischen Truppen in der Region die Kurden bei der Zurückdrängung des Islamischen Staates unterstützen.
Der Präsident der Region, Nechirvan Barzani, erklärte bereits vergangene Woche, die Region sei keine »Quelle der Bedrohung« für den Iran, nachdem die Revolutionsgarden mit Angriffen auf Erbil gedroht hatten, weil dort angeblich geheime Mossad-Basen untergebracht sind. Ende Dezember bekräftigte der Sprecher der KRG, Peshawa Hawramani, dass es in der Region Kurdistan keine israelischen Stützpunkte gebe, und zwar einen Tag nachdem eine pro-iranische Miliz behauptet hatte, einen israelischen Stützpunkt in Erbil mit einer Drohne angegriffen zu haben.
Untergrabung der Stabilität
Unbestätigte Videos in sozialen Medien zeigen große Explosionen in Erbil sowie die Aktivierung eines US-Raketenabwehrsystems zum Schutz des amerikanischen Konsulats in der Hauptstadt. Lokale kurdische Medien berichteten, bei dem Angriff seien mindestens zwei Menschen getötet und fünf weitere verletzt worden.
»Die Vereinigten Staaten verurteilen die heutigen Angriffe des Irans in Erbil auf das Schärfste und sprechen den Familien der Getöteten ihr Beileid aus«, erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums Matthew Miller am Montag. »Wir sind gegen die rücksichtslosen Raketenangriffe des Irans, welche die Stabilität des Iraks untergraben. Wir unterstützen die irakische Regierung und die Regionalregierung Kurdistans in ihren Bemühungen, die Hoffnungen des irakischen Volkes zu erfüllen.«
Bereits in der Vergangenheit hatte der Iran immer wieder die Verantwortung für Raketenangriffe in Irakisch-Kurdistan übernommen. Die Raketensalve vom Montag erfolgte jedoch zu einem besonders angespannten Zeitpunkt im Nahen Osten, da die Vereinigten Staaten und ihre Partner gegen den Iran und seine Stellvertreter im Jemen, in Syrien und im Irak kämpfen, während Teheran die Hamas unterstützt.
Vergangene Woche teilte das amerikanische Verteidigungsministerium mit, dass die US-Truppen im Irak und in Syrien seit dem 7. Oktober hundertdreißigmal von mit dem Iran verbündeten Kräften angegriffen worden seien. Bei diesen Angriffen wurden insgesamt neunundsechzig Soldaten verletzt, allerdings gab es seit dem 25. Dezember keine Opfer mehr zu beklagen.
Internationale Schritte vorbehalten
Das irakische Außenministerium erklärte am Dienstag, Bagdad werde nach dem tödlichen Raketenangriff auf die Provinz Erbil in der Nacht zuvor rechtliche Schritte gegen Teheran einleiten und unter anderem eine Beschwerde beim UN-Sicherheitsrat einreichen. Weiters teilte es mit, »die iranische Aggression« gegen Erbil, die zivile Opfer zur Folge hatte, auf das Schärfste zu verurteilen und den Angriff als »Verletzung« der irakischen Souveränität anzusehen.
Bagdad »betrachtet dieses Verhalten als Aggression gegen die Souveränität des Iraks und die Sicherheit des irakischen Volkes sowie als Schädigung der guten Nachbarschaft und der Sicherheit der Region und bestätigt, dass es alle rechtlichen Maßnahmen dagegen ergreifen wird, einschließlich der Einreichung einer Beschwerde beim Sicherheitsrat«, hieß es in der Erklärung.
Das Ministerium fügte hinzu, Premierminister Mohammed Shia al-Sudani habe die Bildung eines Sicherheitsausschusses angeordnet, der den Vorfall untersuchen und »die Haltung der [irakischen] Regierung auf internationaler Ebene unterstützen« solle. Irakische Staatsmedien berichteten eine Stunde später, der Nationale Sicherheitsberater Qasim al-Araji werde eine hochrangige Sicherheitsdelegation nach Erbil entsenden, um die Folgen des iranischen Bombardements zu untersuchen.
Zuvor hatte der Ministerpräsident der Region Kurdistan, Masrour Barzani, den »feigen Angriff auf das Volk der Region Kurdistan« auf das Schärfste verurteilt und die irakische Bundesregierung aufgefordert, »eine prinzipielle Position gegen die flagrante Verletzung der Souveränität des Iraks und der Region Kurdistan einzunehmen«.
Auch der irakische Präsident Abdul Latif Rashid verurteilte am Dienstagmorgen den iranischen Angriff als eine »Verletzung« der Souveränität des Landes. »Die Lösung von Problemen erfolgt durch einen konstruktiven Dialog und nicht durch militärische Angriffe, welche die Stabilität des Iraks und der gesamten Region bedrohen, in der es zu Eskalationen kommt, die deeskaliert werden müssen«, so Rashid in einem Beitrag auf der Social-Media-Plattform X.
Die Hilfsmission der Vereinten Nationen für den Irak (UNAMI) verurteilte den Angriff ebenfalls und betonte, dass Angriffe, welche die irakische Souveränität verletzen, »… aufhören müssen. Sicherheitsprobleme müssen durch Dialog und nicht durch Luftangriffe gelöst werden«, so UNAMI.
Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von mena-watch
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