Der enorme Anstieg von Mieten und anderen Lebenshaltungskosten im Iran bringt insbesondere Arbeiterfamilien in Existenznot. Auch Medikamente werden unbezahlbar.
„Die kolossale Verteuerung setzt die iranischen Arbeiter:innen unter enormen Druck“. Mit diesem Satz begann eine Reporterin der iranischen Nachrichtenagentur ILNA kürzlich ihren Bericht über die aktuelle Unverhältnismäßigkeit zwischen den Ausgaben und den Einnahmen einer Arbeiterfamilie im Iran. Derzeit verdienen demnach etwa 60 Prozent der iranischen Arbeiter:innen im besten Fall etwas mehr als acht Millionen Toman (etwa 140 Euro) im Monat. Die Summe decke nicht einmal die Miete einer Wohnung von 70 qm in den meisten Bezirken von Teheran und vielen anderen Städten, heißt es in dem Bericht.
Der Anstieg der Mieten liegt demnach in diesem Frühjahr bei rund 100 Prozent. Die von der Regierung angestrebte Mietpreisdeckelung von maximal 25 Prozent für bestehende Mietverträge habe keine Wirkung gezeigt. Die Recherche der Reporterin bei einem Immobilienportal ergab, dass für eine 60 bis 70 qm große Wohnung in den günstigsten Stadtvierteln von Teheran 200 Millionen Toman (gut 3.300 Euro) Kaution und mindestens sieben Millionen Toman (gut 116 Euro) monatliche Miete verlangt wird. Ein Vergleich mit den Vorjahrespreisen auf dem gleichen Webportal ergibt eine Preissteigerung von etwa 100 Prozent.
Steilsteigende Lebensmittelpreise
Exorbitant steigende Preise werden jedoch nicht nur im Immobiliensektor beobachtet. Laut dem Bericht von ILNA wurden Grundlebensmittel innerhalb der vergangenen sechs Wochen 30 bis 40 Prozent teurer. „Nicht nur die staatlichen Versprechungen zur Inflationseindämmung im neuen Jahr konnten nicht eingehalten werden“, schreibt ILNA. Lebensmittel wie Zucker, Brot, Eier und Reis seien mindestens 30 Prozent teurer geworden.
Ähnliche Verhältnisse herrschen laut dem Bericht im Verkehrssektor. Die Preise für Einzelfahrkarten mit der Teheraner U-Bahn haben sich demnach um knapp 30 Prozent, die Kosten von Fahrten im Sammeltaxi um bis zu 50 Prozent erhöht. Dies haben die Recherchen der Reporterin vor Ort ergeben.
Eines der Versprechen des Führers der islamischen Revolution von 1979, Ayatollah Chomeini, war das Abschaffen der Tickets für öffentliche Verkehrsmittel. Sie sollten, neben Strom und Wasser, den unteren Bevölkerungsschichten kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Ein Pfund Rindfleisch für einen Tag Arbeit
Andere Medien berichten auch von Preiserhöhungen von mindestens 30 Prozent im Bereich der am häufigsten verschriebenen Medikamente. Trotz einer unberechenbaren Verteuerungsrate plane das Ministerium für Arbeit derzeit keine Gehaltserhöhungen, schreibt ILNA. Der Wirtschaftsminister habe eine Einkommensanpassung ebenfalls ausgeschlossen.
Der Mindestlohn wurde für das laufende iranische Jahr (begonnen am 21. März) um 27 Prozent angehoben. Offiziellen Angaben zufolge beläuft sich das Mindesteinkommen eines 3,3-Personen-Arbeiterhaushalts derzeit auf knapp 135 Euro im Monat.
„Der Tageslohn eines Arbeiters im Iran reicht derzeit nicht einmal für ein Huhn“, zitierte ILNA in ihrem Bericht den Arbeiteraktivisten Bahram Hassani-Nejad. Er weist daraufhin, dass der Oberste Arbeitsrat des Landes sich nicht genug um die Belange der Arbeiterschaft kümmert. Dieser Rat besteht aus Vertretern der Regierung, Arbeitgeber*innen und regimenahen Arbeitnehmer*innen.
Am 7. Mai kostete ein Kilo Rindfleisch in Teheran mehr als 400.000 Toman. Laut Hassani-Nejad ist der Durchschnittslohn eines Arbeiters 200.000 Toman am Tag. Der Aktivist kritisiert außerdem ein chronisches Problem der Arbeiter:innen in der Islamischen Republik: fehlende unabhängige und landesweite Arbeitervereine, die sich für ihre Rechte einsetzen.♦
Übertragen aus dem Persischen und überarbeitet von Iman Aslani.
Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von IranJournal
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