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Amir über Hamid Ghare Hassanlou: „noch nie so einen positiven Menschen gesehen“

Wie beobachten IranerInnen, Exil-IranerInnen oder im Westen lebende Menschen mit iranischen Wurzeln die Proteste in Iran? Mit einem Fragebogen holen wir Stimmen ein. Diesmal: der vor 14 Jahren aus dem Iran nach Deutschland geflüchtete Amir, der engen Kontakt zur Familie des zum Tode verurteilten Arztes Hamid Ghare Hassanlou hält.


Wie schätzt Du diese Revolution ein, in welcher Phase ist die Revolution?


Es ist nicht das erste Mal, dass die Menschen im Iran in diesen 43 Jahren unzufrieden sind, aber dieses Mal ist vieles anders. Zum ersten Mal sind es Menschen aus allen Schichten, mit diversen Ansichten und Glaubensrichtungen, die für eine und dieselbe Sache kämpfen möchten: nämlich Freiheit und Menschenrechte ohne eine islamische Regierung und Diktatur. Und zum Glück schließen sich jetzt endlich auch mehr Menschen außerhalb Irans an und solidarisieren sich. Wir sehen zahlreiche Beiträge von internationalen Celebrities. Das ist eine große Chance für die Menschen Irans.

Mit welchen Gefühlen oder Gedanken beobachtest Du die Proteste?

Du sprichst von Protesten, hier geht es aber um eine Revolution – und längst nicht mehr um ein paar Proteste. Iran ist mein Heimatland. Ich habe wegen der ganzen Barbarei damals vor 14 Jahren den Iran verlassen. Ich bin nicht mehr der Amir von vor drei Monaten. Es hat sich alles geändert. Ich kann nach diesen landesweiten Massakern nicht mehr normal leben, das wird mich ein Leben lang verfolgen. Die Menschen, die gerade gefoltert und getötet werden, sind nicht irgendwelche Menschen, sondern meine Familie.

Darunter ist etwa die Familie des Ärztepaars Hassanlou. Dieses hat am 12.11.2022 an einer Trauerfeier zum 40. Todestag von Hadis Najafi, einem der jüngsten Opfer der gewaltsamen Niederschlagung friedlicher Demonstrationen im Iran, in Karaj teilgenommen. Nach wochenlanger Folter ist Hamid Ghare Hassanlou zur Todesstrafe verurteilt worden, seine Frau zu 25 Jahre Haft. Der Arzt soll in den Tod eines Mitglieds der Basij-Milizen verwickelt sein...

Ich kenne Hamid Ghare Hassanlou, seitdem ich fünf Jahre alt bin. Er ist der beste Freund meines Onkels. So einen netten und positiven Menschen habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Er hat ein lächelndes Gesicht. So ein toller Mensch, der in vielen Dörfern Schulen gebaut hat, der arme Patienten umsonst verarztet und ihnen geholfen hat und vieles anderes – wie kann er jemanden umbringen?


Das verurteilte Ärztepaar Hassanlou.

Was wird die Familie tun, um die Urteile abzuwenden?

Die Familie wird definitiv einen Einspruch einlegen, dafür hat sie drei Wochen Zeit. Momentan ist sie dabei, gute Anwälte zu besorgen, egal was es kostet, aber es ist schwierig. Sie hat bis jetzt mit mehr als drei guten Anwälten gesprochen, die zunächst zugesagt hatten, aber nach paar Stunden wieder abgesprungen sind – weil sie von der Regierung bedroht wurden. Sie sucht weiterhin Anwälte, aber es ist wie einen Teufelskreis... Auf gut Deutsch: Die Familie ist machtlos. Sie haben weder direkten Kontakt zu Hamid, und mit Farzaneh telefonieren sie nur über eine abgehörte Leitung. Die Familie versucht trotzdem über verschiedene Kanäle irgendwie einen guten Anwalt zu finden, der sich dieser Gefahr annimmt.


Wie geht es Hamid?

Er ist momentan im Krankenhaus unter sehr strengen Beobachtungen. Er musste ein paar Mal operiert werden, da ihm bei der Folter fünf Rippen gebrochen wurden und dadurch auch seine Lunge betroffen wurde. Farzaneh ist im Kachuiii Gefängnis in Karaj und hat Besucherverbot. Sie kann nur alle paar Tagen mit der Familie telefonieren.


Amir ist 34 Jahre alt, Wirtschaftsinformatiker und vor 14 Jahren aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet. Er ist Mitgründer der Gruppe Free Human in Köln.


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