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Frauentag im Iran: Umerziehung der Frauen ist gescheitert

Der offizielle Frauentag hat im Iran keinen festen Platz im Kalender. Fest steht: Über 44 Jahre Staatspropaganda für die Umerziehung der Frauen sind gescheitert. Von Shabnam von Hein


Bild: Siavash (mehr Infos zum Künstler)


Im Iran ist der offizielle Frauentag nicht am 8. März, sondern er fiel dieses Jahr auf den 13. Januar. In der Islamischen Republik Iran ist als Frauentag der Geburtstag der Prophetentochter Fatima festgelegt. Zum offiziellen Frauenbild passt, dass dieser Tag gleichzeitig Muttertag ist. Fatimas Geburtstag im islamischen Mondkalender hat keinen festen Platz im persischen Sonnenkalender. Daher muss der offizielle Frauentag jedes Jahr neu berechnet und an den persischen Kalender, nach welchem sich im Iran das gesamte öffentliche Leben richtet, angepasst werden.


Unangepasst bis heute ist die Ideologie, die dahintersteckt: Seit der Revolution 1979 versuchen die Machthaber im Iran das Bild der Frau in der Öffentlichkeit zu bestimmen. Das Vorbild der Frauen muss Fatima sein, die mit neun Jahren verheiratet wurde und Mutter von fünf Kindern war. Eine fromme Ehefrau, die sich fügte, unterordnete und kaum in der Öffentlichkeit sichtbar war.


"Sicherheitskräfte überrascht vom Mut"


Eines hat diese Ideologie nach 44 Jahren Propaganda in staatlichen Medien und systematischen Versuchen der Gehirnwäsche in allen Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Universität sowie in den Behörden erreicht: Den ersten feministischen revolutionären Aufstand der Geschichte. Der Iran war vergangenes Jahr Schauplatz der längsten Proteste seit 1979. Auslöser war der gewaltsame Tod der 22-jährige Kurdin Jina Mahsa Amini im Polizeigewahrsam. Sie war von der Sittenpolizei verhaftet worden, weil sie ihren Hidschab nicht "angemessen" getragen haben soll.


"In unserer Stadt waren die Proteste beispiellos. In den ersten sieben Tagen waren drei Viertel der Protestierenden Frauen", sagt Leila aus einer Stadt in den iranischen Kurdengebieten im Gespräch mit der DW. Leila organisierte mit ihren Freundinnen Demonstrationen in ihrer Stadt. Die ersten Kundgebungen gab es bei Jina Mahsa Aminis Beerdigung in ihrer kurdischen Heimatstadt. Die Proteste weiteten sich jedoch rasch aus, auch in besonders konservativ geprägte Städten, wo jeder jeden kennt. Dort fehlt die Anonymität, die eine gewisse Freiheit bietet, um Regeln brechen zu können, zum Beispiel sich zum ersten Mal ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit zu zeigen.


"Die Sicherheitsbehörden waren überrascht von unserem Mut. Ich hatte sogar das Gefühl, dass sie Angst hatten", erzählt Leila. Sie wurde am siebten Tag der Proteste verhaftet. "Nicht zum ersten Mal. In den letzten Jahren wurde ich mehrmals verhaftet. Aber diesmal war es anders. Die Leute, die mich verhörten, hatten weniger Selbstbewusstsein und waren sichtlich nervös. Das bedeutete aber nicht, dass sie milder gewesen wären. Sie waren gewalttätig, nicht nur auf der Straße, auch in den Gefängnissen. Wir wissen, dass viele Frauen vergewaltigt wurden, um sie zu brechen und einzuschüchtern."


Großer Druck auch nach den Demonstrationen


Leila wurde anders bestraft. Sie kam nach zwei Wochen gegen Hinterlegung einer Kaution frei, die ihre Familie nur mühsam aufbringen konnte. Später wurde sie zu zwei Jahren Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. "Mache ich einen falschen Schritt, werden sie mich einsperren." Ob und wann ihre Familie die Kaution zurückbekommt, weiß sie nicht. "Wir werden nicht aufgeben. Unser Aufstand hat alle Generationen, Ethnien und Schichten erfasst. Wir suchen nach anderen Formen des Widerstands und werden uns bald wieder sortieren."


Protestversammlungen auf den Straßen haben wegen der brutalen Unterdrückung nachgelassen. Laut Menschenrechtsorganisationen wurden während der mehr als 100 Tage andauernden Proteste mindestens 525 Demonstranten von den Sicherheitskräften getötet, darunter 71 Minderjährige. Rund 20.000 wurden bis Anfang Januar verhaftet. Ein Teil von ihnen wurden bis Ende Februar aus den überfüllten Gefängnissen freigelassen.


Der Druck auf Frauenaktivisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft hat nicht nachgelassen. Sie werden der Reihe nach einbestellt und eingeschüchtert, auch diejenigen, die nur an Protesten teilgenommen haben. "Sie wollen uns mundtot machen", berichtet eine bekannte Anwältin, die wegen laufender Verfahren nicht namentlich genannt werden möchte, im Gespräch mit der DW. "Ich werde mich weiterhin für die Menschen einsetzten, die für ihre Rechte kämpfen. Das ist es, was die Sicherheitsbehörden stört: Der Mut der Frauen, die unabhängig denken und sich für das einsetzen, das sie für richtig halten. Und davon gibt es viele im Iran."


Appell an das demokratische Ausland


"Die Welt sollte diesen Frauen zur Seite stehen", verlangen iranische Aktivisten außerhalb des Irans, wie zum Beispiel Masih Alinejad. Mit knapp neun Millionen Followern in sozialen Netzwerken gehört die in den USA lebende iranische Frauenrechtlerin zu den prominentesten Kritikerinnen des iranischen Staates.


Als Vertreterin der iranischen Zivilgesellschaft war Masih Alinejad dieses Jahr zur Münchner Sicherheitskonferenz eingeladen. Zum ersten Mal war kein Vertreter der Islamischen Republik zu diesem Forum eingeladen. "Die führenden demokratischen Länder der Welt müssen die Islamische Republik isolieren, genauso wie sie Putin isoliert haben", fordert sie im Gespräch mit der DW. "Wir sehen, dass sich der Ton gegenüber der Islamischen Republik Iran geändert hat. Wir verlangen nun, dass sie eine Politik gegenüber Teheran verkünden und zum Beispiel die iranische Revolutionsgardeals Terrororganisation einstufen. Iranische Frauen brauchen starke Entscheidungen von Politikerinnen und eine globale Schwesternschaft."


Viele Politikerinnen der westlichen Länder haben der Protestbewegung im Iran ihre Solidarität bekundet. Zum Beispiel die belgische Außenministerin Hadja Lahbib, die medienwirksam ihre Haare abgeschnitten hat. Doch Ende Februar traf sie sich mit dem iranischen Außenminister Abdollahian. Bilder von diesem Treffen wurden von iranischen Frauen in sozialen Netzwerken scharf kritisiert. Sie fühlten sich verraten und stellten die Solidarität der Außenministerin in Frage. Möglicher Hintergrund des Treffens: Im Iran sitzt ein belgischer Entwicklungshelfer im Gefängnis. Olivier Vandecasteele wurde im Januar 2023 zu 40 Jahren Gefängnis und 74 Peitschenhieben verurteilt. Es gibt Grund zu der Annahme, dass die iranischen Behörden ihn festhalten, um die belgischen Behörden zu einem Gefangenenaustausch gegen einen dort inhaftierten ehemaligen iranischen Diplomaten zu bewegen, der als Drahtzieher eines vereitelten Terroranschlags zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde.


"Die Unterstützung und Solidarität der westlichen Politikerinnen bedeutete uns am Anfang sehr viel", sagt Leila aus Kurdistan. "Wir wissen aber, dass sie am Ende an ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen denken. Wir machen unseren Kampf nicht abhängig von ihnen."


Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Deutsche Welle, Original-Text von Shabnam von Hein

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