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Erdbebengefahr im Iran: Katastrophe mit Ansage?

Iraner verfolgen die Erdbebenkatastrophe in Syrien und in der Türkei mit Empathie, aber auch mit Sorge: Auch im Iran haben die Behörden kaum etwas aus den verheerenden Beben der Vergangenheit gelernt.


2017 bebte die Erde in Kermanshah im Iran, an der Grenze zum Irak. Foto: Tasnim News Agency, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons



Die Nachrichten über die Erdbebenkatastrophe in Syrien und in der Türkei bewegen viele Menschen im Iran. Die Türkei gehört zu den wenigen Länder der Welt, in die Iraner ohne Visum einreisen können. Mindestens eine halbe Millionen Iraner leben dauerhaft in dem Nachbarland. Und viele Iraner fühlen mit den Opfern und Hinterbliebenen. 


Die Menschen im Iran kennen Erdbebenkatastrophen aus eigenen Erfahrungen. Wie die Türkei gehört auch der Iran zu den am meisten von Erdstößen gefährdeten Ländern der Welt. Jetzt liegt wieder Angst in der Luft. In den staatlichen Medien warnen Experten vor apokalyptischen Szenen der Zerstörung in der dicht bebauten Hauptstadt Teheran mit ihren mehr als 15 Millionen Einwohnern. In der Erdkruste unter Teheran verlaufen mehrere geologische Bruchlinien. 


Korruption und Unwissenheit


"Sowohl im Iran wie auch in der Türkei gibt es sehr moderne und fortschrittliche Erdbebennormen - auf dem Papier", schreibt Hamid Sadegh-Azar auf Nachfrage der DW. Der Professor für Baustatik und Baudynamik von der Technischen Universität Kaiserslautern-Landau fügt hinzu: "Das wesentliche Problem ist meist die Nichtbeachtung der Erdbebenvorschriften. Um ein Bauwerk erdbebensicher zu machen, muss man bei der Planung und beim Bau auf viele kleine Details achten und diese auch korrekt ausführen und umsetzen. Gebaut wird im Iran oder in der Türkei meist mit ungeschulten Arbeitskräften. Wenn dann auch noch die Bauüberwachung nachlässig, unwissend oder korrupt ist, wird am Ende kaum ein erdbebensicheres Bauwerk entstehen."


In der Türkei wurden inzwischen zahlreiche Bauunternehmer festgenommen. Sie sollen bei eingestürzten Gebäuden die Leitung innegehabt haben. Ein Unternehmer, der für die Bauleitung zahlreicher eingestürzter Gebäude in Adiyaman verantwortlich gewesen sein soll, sei mit seiner Ehefrau am Istanbuler Flughafen festgenommen worden, meldete die Nachrichtenagentur DHA. Die beiden hätten sich mit einer großen Menge Bargeld nach Georgien absetzen wollen.


"Unternehmen und Investoren wollen möglichst viel sparen und ihre Kosten reduzieren", berichtet Roozbeh Eskandari im Gespräch mit der DW. Eskandari war knapp zehn Jahre lang als Bauinspektor in der iranischen Hauptstadt Teheran tätig. "Vor allem bei den Hochhäusern ist die Fassade und alles, was man auf den ersten Blick wahrnimmt, leider wichtiger als das Investieren in die Bausubstanz. Die Investoren bestechen die Behörden und halten sich nicht an die Regeln. Oder die Behörden sind selbst Inhaber oder Teilinhaber des Gebäudes. Dann lassen sie viel mehr zu als das, was erlaubt ist, zum Beispiel ein paar zusätzliche Stockwerke. Ein Beispiel dafür im Iran war das Metropol-Hochhaus in der Stadt Abadan im Südwesten des Iran, das im Mai 2022 einfach eingestürzt ist."


Nach dem Schock die Nachlässigkeit


Der Iran verzeichnete in den vergangenen 60 Jahren drei großen Erdbeben mit vielen Todesopfern: 1962 in Buinzahra im Nordwesten mit 13.000, 1990 das Manjil-Rudbar-Beben im Norden mit etwa 40.000 und das Erdbeben von Bam 2003 im Südosten mit rund 28.000 Toten. Durch den Iran verläuft die Grenze zwischen der Eurasischen und der Arabischen Platte. Die Arabische Platte bewegt sich pro Jahr um bis zu drei Zentimeter nordwärts auf die Eurasische Platte zu. Dabei verformt sie die Gesteinsmassen im Iran und setzt sie unter Spannung. Die entlädt sich immer wieder in Beben, zuletzt Ende Januar in der Stadt Khoy im Nordwesten. Es gab drei Tote und über 2000 Verletzte. Viele Gebäude stürzten ein oder wurden schwer beschädigt, darunter auch einige Neubauten.


"Nach jeder Katastrophe steigt die Sensibilität für kurze Zeit", sagt Parisa Kloss, Architektin und Stadtplanerin, im Gespräch mit der DW. "Zum Beispiel 2003, als ein heftiger Erdstoß die historische Stadt Bam zerstörte, arbeitete ich für das iranische Ministerium für Straßen und Städtebau. Ich reiste nach Bam und begleitete Seminare und Projekte, die in Kooperation mit anderen Ländern, vor allem mit Deutschland und Japan, gestartet wurden. Die deutschen Wissenschaftler waren interessiert an dem Wiederaufbau der zerstörten Zitadelle von Bam im Iran, dem größten Lehm-Gebäude der Welt. Später wurden auch Projekte wie zum Beispiel der Bau von Fachwerkhäusern in den Erdbebengebieten vorgestellt. Das ist als Idee sehr gut, in der Umsetzung aber teuer und aufwendig, weswegen daraus leider kaum etwas gewachsen ist. Die Zusammenarbeit ließ mit der Zeit nach und geriet schließlich in Vergessenheit."


Kloss, die seit 2011 in Deutschland lebt und dort ihre Firma "Resilient Urban Planning and Development" gegründet hat, zieht eine bittere Bilanz: "Aus den opferreichen Beben im Iran haben die Behörden kaum etwas gelernt. Sie empfehlen der Bevölkerung dafür zu beten, dass es zu keinen Beben kommt."



Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Welle, Original-Text von Shabnam von Hein

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