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Doppelt bestraft – über die iranischen Haftbedingungen

Im Iran werden Oppositionelle in unfairen Gerichtsverfahren zu hohen Haftstrafen verurteilt. Die Haftbedingungen wirken wie eine zusätzliche Bestrafung.



Das Evin-Gefängnis am Stadtrand von Teheran

Von Dieter Karg


Im August 2021 erreichten schockierende Videoclips die Öffentlichkeit. Es handelte sich um Bilder von Überwachungskameras, die autoritären Regierungen üblicherweise dazu dienen, ihre Bürger auszuspähen, um politischen Protest im Keim zu ersticken. Doch diese Aufnahmen deckten Menschenrechtsverletzungen auf: Einer iranischen Hackergruppe war es gelungen, in das Kontrollsystem des berüchtigten Evin-Gefängnisses am Stadtrand von Teheran einzudringen. Die geleakten Aufnahmen belegen, mit welcher Brutalität die Gefangenen dort behandelt werden: Man sieht, wie ein älterer Gefangener, der zusammengebrochen ist, durch das Gefängnis geschleift wird, wie mehrere Wärter einen Mann verprügeln, wie ein lebloser Mann einfach auf dem Boden liegengelassen wird, während die Wärter danebenstehen, und wie ein Mann in einem Duschraum versucht, sich mit Glasscherben die Pulsadern aufzuschneiden.


Die schockierenden Bilder seien nur "die Spitze des Eisbergs der Folterepidemie im Iran", sagt Heba Morayef, Nahost-Expertin von Amnesty International. Die Videoclips bestätigten das, was viele Gefangene über die Haftbedingungen ausgesagt hätten. Der Chef des iranischen Strafvollzugs, Mohammed Mehdi Haj Mohammadi, entschuldigte sich zwar für das "inakzeptable Verhalten" der Wärter, über weitere Konsequenzen wurde jedoch nichts bekannt.


Tränengas, Schlagstöcke, Schüsse


Am 15. Oktober 2022, während der jüngsten Protestwelle im Iran, gelangten Videos an die Öffentlichkeit, die zeigten, dass im Evin-Gefängnis ein Großfeuer ausgebrochen war. Nach offiziellen Angaben wurden dabei acht Personen getötet und mehr als 60 verletzt. Die Behörden behaupteten, das Feuer sei durch einen Streit unter Gefangenen verursacht worden. Belege, die Amnesty zusammengetragen hat, legen jedoch nahe, dass das Feuer dazu dienen sollte, das brutale Vorgehen gegen Inhaftierte zu verschleiern. Häftlinge im Gebäude 8, in dem überwiegend politische Gefangene untergebracht sind, berichteten, dass gegen 20 Uhr Schüsse und Schreie im benachbarten Gebäude 7 zu hören waren. Als sie in Panik ihren Trakt verlassen wollten, wurden sie vom Gefängnispersonal unter Einsatz von Tränengas, Schlagstöcken und Schüssen daran gehindert. Erst eineinhalb Stunden später machten erste Berichte über ein Feuer die Runde, das offenbar im Werkstattgebäude ausgebrochen war, zu dem die Gefangenen zu diesem Zeitpunkt keinen Zugang hatten.


Amnesty dokumentierte die Zustände in iranischen Gefängnissen bereits nach den Protesten im November 2019 in einem Bericht mit dem Titel: "Die Menschlichkeit mit Füßen treten" ("Trampling humanity"). Genau die gleichen Schilderungen erreichen die Organisation seit dem Ausbruch der aktuellen Proteste im Herbst 2022. Personen "verschwinden" direkt nach ihrer Festnahme. Sie werden mit verbundenen Augen in geheime Haftzentren gebracht und müssen längere Zeit in Isolationshaft verbringen, ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Angehörige und Rechtsbeistände suchen oft wochenlang verzweifelt nach ihnen, erhalten jedoch keine Auskunft über ihren Aufenthaltsort. Stattdessen werden sie gewarnt, mit anderen darüber zu sprechen oder den Fall an die Öffentlichkeit zu bringen.


Unmittelbar nach der Inhaftierung beginnen meist Folter oder andere Misshandlungen, um die Inhaftierten zu bestrafen, zu erniedrigen und zu "Geständnissen" zu zwingen. Schläge, auch mit einer Peitsche, und Aufhängen an den Gliedmaßen sind dabei die häufigsten Formen. In vielen Fällen werden auch Elektroschocks, Erstickungstechniken wie "Waterboarding", sexualisierte Gewalt oder Scheinhinrichtungen angewendet. Hinzu kommen verschiedene Formen psychischer Folter wie Beleidigungen und Obszönitäten, die Androhung einer Vergewaltigung oder einer Hinrichtung. Man droht den Inhaftierten außerdem an, nahe Verwandte zu inhaftieren, zu foltern oder zu töten und schüchtert die Familienangehörigen ein und drangsaliert sie.


Medizinische Behandlung verweigert


Auch die Unterbringung selbst erniedrigt die Gefangenen. Das Gegenstück zur Isolationshaft sind überfüllte Zellen, vor allem nach größeren Verhaftungswellen. Die Inhaftierten müssen dann ohne Bett und Matratze auf dem kalten Boden schlafen. In den Zellen brennt oft Tag und Nacht grelles Licht. Gefangene klagen auch über Schädlingsbefall und penetranten Gestank wegen defekter sanitärer Anlagen. Das Essen ist häufig unzureichend und kaum genießbar.


Die schlechten Haftbedingungen sind eine zusätzliche Bestrafung und werden auch bewusst so eingesetzt, wenn Gefangene sich zum Beispiel nicht fügen oder protestieren. Ihnen wird außerdem die Kommunikation mit ihren Familienangehörigen verweigert, oder man verlegt sie in ein Gefängnis, das so weit entfernt vom Wohnort ihrer Angehörigen entfernt liegt, dass Besuche nur schwer möglich sind. Friedlich Protestierende werden oft zusammen mit Gewalttätern inhaftiert, von denen sie bedroht oder angegriffen werden.


Auf einen weiteren Aspekt hat Amnesty im April 2022 in dem Bericht "Im Wartezimmer des Todes" ("In Death's Waiting Room") hingewiesen: Die Gefängnisbehörden verweigern Inhaftierten eine notwendige medizinische Behandlung, sowohl bei Verletzungen, die während der Festnahme oder aufgrund von Folter entstanden, als auch bei Vorerkrankungen. Amnesty untersuchte 96 Todesfälle in Haft im Zeitraum von 2010 bis März 2022, die auf mangelnde medizinische Versorgung zurückzuführen sind. Die Krankenstationen der Gefängnisse bieten nur eine sehr eingeschränkte medizinische Versorgung. Dennoch lehnten die Gefängnisbehörden oder das ärztliche Personal eine Untersuchung oder Behandlung außerhalb des Gefängnisses vielfach ab, sodass sich der Zustand der Inhaftierten gravierend verschlechterte – manchmal bis hin zum Tod.


Geleakte Briefe


Die schlechte ärztliche Versorgung zeigte sich auch während der Corona-Pandemie: In den Gefängnissen kam es zu größeren Ausbrüchen, weil Inhaftierte nicht geimpft und Infizierte nicht isoliert wurden. Geleakte Briefe an das Gesundheitsministerium belegen, dass selbst Gefängnisleitungen wiederholt feststellten, dass sie nicht über genügend Schutzausrüstung, Desinfektionsmittel und medizinische Geräte verfügten und dass viele Häftlinge ein geschwächtes Immunsystem hätten. Eine Antwort erhielten sie nicht. Im Jahr 2020 protestierten Gefangene in mindestens acht Haftanstalten mit Hungerstreiks oder angezündeten Mülltonnen gegen die Mängel. Als die Behörden mit Tränengas und scharfer Munition gegen die Protestierenden vorgingen, wurden mindestens 35 Menschen getötet und Hunderte verletzt.


Ein Gefangener, der bei den Protesten 2019 festgenommen wurde, berichtete, man habe ihm im Verhör gesagt: "Wenn du stirbst, dann stirbst du wie ein Hund. Es ist uns nicht wichtig, ob du lebst oder stirbst." Eine Aussage, die symptomatisch ist für die Haltung der Behörden gegenüber Inhaftierten.


Dieter Karg ist Sprecher der Länderkoordinationsgruppe Iran von Amnesty International in Deutschland.


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