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Die DemonstrantInnen im Iran brauchen maximale Unterstützung

Starke internationale Unterstützung der regimekritischen DemonstrantInnen kann den Weg für einen Übergang des Iran zur Demokratie ebnen.


Von Jonathan Harounoff und Bijan Ahmadi



In den vergangenen sechs Monaten wurde der Iran von landesweiten Protesten erschüttert, die durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini ausgelöst worden waren. Diese Proteste stellen die nachhaltigste und möglicherweise existenziellste Bedrohung für das theokratische Regime des Landes seit seiner Gründung im Jahr 1979 dar.


Trotz der gewaltsamen Repression durch das Regime wird weiterhin über Proteste und Streiks im gesamten Iran berichtet, und die Unterstützung für einen Systemwandel ist nach wie vor groß. Darüber hinaus hat die Protestbewegung zu einem noch nie dagewesenen Zusammenschluss von Oppositionsgruppen innerhalb und außerhalb des Landes geführt, die sich für einen grundlegenden Wandel und den Übergang zu einem neuen demokratischen System einsetzen.


Die größtmögliche Unterstützung der Demonstranten durch demokratische Regierungen ist eine wesentliche Voraussetzung für einen für die iranische Bevölkerung erfolgreichen Ausgang der Proteste. Die Vereinigten Staaten, Kanada, die Europäische Union und Großbritannien haben Druck ausgeübt, indem sie als Reaktion auf das gewaltsame Vorgehen gegen die Proteste neue Sanktionen gegen das Regime in Teheran verhängt haben. Sanktionen gegen diejenigen, die Menschenrechtsverletzungen und schwere Verbrechen begehen, sind hilfreich, um deren Straffreiheit endlich zu beenden.


Demokratische Regierungen sollten den Druck auf die Islamische Republik jedoch noch weiter erhöhen, indem sie gezielt iranische Diplomaten ausweisen und Einreise-, Studien- und Geschäftsvisa für die Familienangehörigen von Regimevertretern widerrufen, die in westlichen Ländern im Luxus leben, während normale Iraner mit wirtschaftlicher Not zu kämpfen haben.


Druck auf Regime erhöhen


In der EU und in Großbritannien mehren sich die Rufe, das Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) als terroristische Vereinigung einzustufen, aber Bedenken in Brüssel und London haben bisher davon abgehalten, die gesamte Organisation als das zu benennen, was sie ist.


Eine alternative Option, welche die Uneinigkeit innerhalb des Regimes noch verstärken könnte, wäre die Ausweitung der Sanktionen auf derzeitige und ehemalige Mitglieder der IRGC-Führung, die in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind, und die Aufdeckung ihrer korrupten Geschäftsbeziehungen.


Zusätzlich zu den Sanktionen können demokratische Regierungen die Proteste im Iran auch auf andere Weise unterstützen. Die Ermutigung von Technologieunternehmen, den Internetzugang zu erleichtern, würde es den Demonstranten ermöglichen, miteinander zu kommunizieren und die Geschehnisse im Land in die Welt zu übertragen, selbst wenn das Internet vom Regime abgeschaltet wird.


Im September vergangenen Jahres, als die Proteste ausbrachen, unternahm die Regierung von US-Präsident Biden einen wichtigen Schritt, indem sie Sanktionsausnahmen für Internetanbieter gewährte, die die iranischen Demonstranten unterstützen könnten. Während der Druck auf das Regime und seine brutalen Sicherheitskräfte erhöht werden muss, müssen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen, dass die Sanktionen den Zugang der Demonstranten zu Technologien, den Austausch zwischen den Menschen und die Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, welche die Iraner in ihrem Kampf für Demokratie unterstützen können, nicht behindern.


Demokratien weltweit können auch mehr tun, um iranischen Dissidenten, die aus dem Land fliehen müssen, legale Wege zu bieten. Kanada hat kürzlich neue Maßnahmen angekündigt, die Iranern, die sich bereits in Kanada aufhalten, bei der Verlängerung ihres befristeten Aufenthaltsstatus helfen werden. Es sollte jedoch spezielle Programme geben, um auch Dissidenten im Iran selbst, die von Verhaftung, Folter und Hinrichtung bedroht sind, beschleunigtes Asyl zu gewähren.


Hilfe von außen notwendig


Die Einrichtung und Verwaltung von Fonds zur Entschädigung streikender iranischer Arbeitnehmer und ihrer Familien zu erleichtern ist eine der wirksamsten Möglichkeiten, die Bevölkerung zu unterstützen. Großstreiks von Arbeitnehmern in Schlüsselindustrien werden weithin als wirksame Methode angesehen, um die Regierung zu lähmen und den Weg für einen demokratischen Übergang zu ebnen.

Obwohl die iranische Diaspora in der Lage ist, die für die Unterstützung der Arbeiter im Iran erforderlichen Mittel aufzubringen, dürfte die Einrichtung solcher Fonds aufgrund der strengen Beschränkungen für Finanztransaktionen mit dem Iran aufgrund der Sanktionen sehr komplex sein. Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten sollten eng mit der iranischen Diaspora zusammenarbeiten, um auf sichere Weise Fonds zur Unterstützung der Streikenden einzurichten.


Wenn es um die Unterstützung der Proteste im Iran geht, ist Hilfe von außen von entscheidender Bedeutung, aber sie muss auf eine nicht-interventionistische Weise erfolgen. Der ehemalige iranische Kronprinz Reza Pahlavi, ein prominenter Vertreter der Opposition, betonte kürzlich, jede ausländische Militärintervention wäre »zerstörerisch« und würde von ihm und der Mehrheit des iranischen Volkes abgelehnt werden.


Die Bewegung »Frau, Leben, Freiheit« ist ein von Iranern geführter Kampf, der zeigt, dass ein sinnvoller Wandel aus dem Land selbst kommen kann. Die Proteste haben den Wunsch der Bevölkerung nach einem grundlegenden Wandel und einem Übergang zu einem neuen demokratischen System in den Vordergrund gerückt. In den ersten sechs Monaten hat der Westen erheblichen Druck auf das Regime ausgeübt. Jetzt kommt es weiterhin darauf an, dem iranischen Volk die größtmögliche Unterstützung zukommen zu lassen.


Jonathan Harounoff ist britischer Journalist, lebt in New York und schreibt für Haaretz, The Jerusalem Post, The Forward und das Middle East Institute. Bijan Ahmadi ist geschäftsführender Direktor des Institute for Peace & Diplomacy, eines Thinktanks für internationale Angelegenheiten mit Sitz in Kanada. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)


Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von mena-watch

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