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Die kulturhistorische Beziehung des Irans zur Monarchie

Ein Kommentar von Nida


Die dem revolutionären Prozess Irans zugeneigten deutschen Mitbürger*innen ist es zu verdanken, dass wir Iran-Aktivist*innen der Diaspora uns plötzlich mit Fragen beschäftigen, die sonst nur auf vorbewusster Ebene herumflattern. Je interessierter und aktiver sich unsere nicht-iranischen Freunde sowohl in Real als auch auf Social-Media Plattformen zeigen, desto häufiger treten einige –- teilweise verwunderte, gar sorgenvoll anmutende – Fragen auf:


„Welche Rolle spielt die Monarchie in der Revolution?“

„Warum überhaupt Monarchie? Ist das nicht rückständig?“

„Wieso wieder etwas etablieren, das damals schon nicht geklappt hat?“


Meine Antwort lautet dann: Ein wenig Vertrauen in unseren Freiheitswillen, please!


Viele Iraner*innen, die sich eine konstitutionelle Monarchie wünschen, arbeiten nicht gegen eine demokratische Republik. Beide Varianten widersprechen einander in ihren Grundfesten nicht. Denn das Hauptverlangen der Iraner*innen weltweit ist immer noch eines: Der Sturz des Islamischen Regimes, die Säkularisierung des Staates und die Etablierung eines freiheitlich-demokratischen Wertesystems.


Wenn manche nun fragen: „Warum überhaupt Monarchie? Ist das nicht rückständig?“, frage ich zurück: „Warum nicht – und in wessen Augen ist eine Monarchie rückständig?“


Wir sprechen hier nicht von einer absoluten Monarchie, sondern von einer konstitutionellen. Eine konstitutionelle Monarchie bindet die Macht des Monarchen durch die Verfassung, sie teilt die Macht also auf und macht einen künftigen Schah rechtfertigungspflichtig. Sie pflegt aber auch die kulturellen Schätze eines Landes.


Soziokulturelle Vorteile einer konstitutionellen Monarchie



Kyros II

Dabei geht es nicht nur um Gold und königliche Insignien, sondern um das kulturelle und historische Erbe des Iran, das durch so viele Arten symbolisiert und in Kunst manifestiert wurde. Durch Persepolis (pers. Takhteh Jamshid), durch den Zylinder der ersten Menschenrechts-Charta der Welt von Kyros II dem Großen, durch die Felsreliefs des Sassanidenreichs (pers. Taqhe Bostan) und so vieles mehr.


Ein Schah hat die Aufgabe, die seit 44 Jahren vernachlässigten und die schon damals in der Qajaren-Dynastie verscherbelten Kulturschätze nicht nur zu wahren, sondern sie einerseits im Bewusstsein der Iraner*innen aufleben zu lassen, andererseits in das internationale Bewusstsein zurückzuholen. 44 Jahre bleierne Dunkelheit und Blut beflecken den Namen und die Erde Irans. 44 Jahre Demütigung und Entwürdigung der (alt-)iranischen Religionen und Riten, 44 Jahre Entrechtung von Frauen, Männern und Kindern. 44 Jahre Unsichtbarmachung ihrer vielfältigen Sprachen und historisch bedingten Zuneigung für Wissenschaft, Medizin, Kunst, Poesie und Wein. Wer soll gegen diese Bilder symbolträchtiger ankämpfen als eine Königsfamilie mit kulturellem und prosozialem Auftrag? Kyros der Große II feierte einst den Vielvölkerstaat des Iran und versprach ihm durch die erste Menschenrechts-Charta Gleichwertigkeit, Ebenbürtigkeit und vor allem seinen Schutz, unabhängig von Religion, Kultur und Ethnie. Dieses Bild ist tief im iranischen Bewusstsein verankert: Kyros der Große als Umarmung aller Ethnien in einem gemeinsamen Iran.


Psychologische Funktionen einer konstitutionellen Monarchie


Iraner*innen weltweit sind traumatisiert. Durch die Islamische Revolution 1979 haben viele das Gefühl, einen desaströsen Fehler begangen zu haben, der unzählige unschuldige Menschenopfer gefordert hat. Wenn man in eine tiefe kollektive Depression fällt, geht man immer wieder die Version der Realität durch, in der man selbst oder andere diesen fatalen Fehler nicht begangen hat.


„Was wäre passiert, hätten wir Khomeini und die Islamisten sowie die radikalen und militanten Marxisten/Kommunisten nicht die Überhand gelassen? Was wäre mit uns passiert, hätten wir 1979 niemals zugelassen?“ Die Sache ist die: Wir haben, nachdem der Schah den Iran verließ, nie etwas Besseres bekommen. Eine Republik ist für Iraner*innen nicht immer besser als eine Monarchie: Die Islamische Republik ist der beste Beweis dafür.


Nun ist es so, dass Deutschland und Iran sich weder historisch noch kulturell miteinander vergleichen lassen und diese Frage deshalb auch in die Irre führt. Die Beziehung der Iraner*innen zu ihrem Land, ihrer Kultur und ihrer Sprache ist eine andere – sie ist „körperlicher“, emotionaler und vor allem persönlicher. Und hierin liegt vielleicht einer der wichtigsten Punkte der Zuwendung vieler, vor allem junger Iraner*innen, zur konstitutionellen Monarchie: in unserer Geschichte und dem tief verwurzelten Wunsch, „die Katze“ (Form des Iran auf der Weltkugel) beschützen und umarmen zu wollen.


Die fundamentale Widerstandsemotion: „Ihr beugt uns nicht“


Denn so begann es einst: Die brutale Invasion und die Zwangsislamisierung der iranischen Völker durch die Araber vor 1400 Jahren hat in uns bis heute eine starke Widerstandsemotion ausgelöst. Sie brennt in uns bis heute. Dieser innere Widerstand ist das, was ihr, meine deutschen Freunde, oft als „unfassbare Hartnäckigkeit und Stärke“ beschreibt.


Der Widerstand nahm damals schon viele Formen an: Von geheimen „Häusern der Kraft“ (pers. Zoor Khanehs) in denen „Pahlevaan“ (Männer, die ihren Körper und Geist heimlich trainierten, um gegen die Invasoren stark zu sein) - bis hin zum größten Nationalepos des Landes, dem „Schahnameh“, dem „Buch der Könige“, von Ferdowsi.


Das „Shahnahme“ ist eines der zentralen Elemente des iranischen Kulturwiderstands gegen die aufgezwungene Religion, Kultur und Sprache der Araber. Ferdowsi hat an diesem Buch über 35 Jahre seines Lebens geschrieben, also länger als die Hälfte seines Daseins. In ihr verweben sich alt-iranische Mythologien, aber auch reale Könige und Ereignisse. All das, in traumartigen Sequenzen zusammen verwoben, führte bis heute zu einem Bewusstsein für die eigene Geschichte und Identität, das ihresgleichen sucht und bis heute einen großen Einfluss auf uns hat. Auf uns und den heute noch brennenden Widerstand.


Diesem Buch haben wir zu verdanken, dass die persische Sprache nicht durch die Arabische ersetzt wurde. Diesem Buch haben wir zu verdanken, dass wir heute noch Jahrtausend alte Feste und Riten im Herzen tragen und sie feiern, teilweise unter Einsatz der eigenen Unversehrtheit. Und dieses Buch heißt: „Das Buch der Könige“.


Generation-Z und die konstitutionelle Monarchie


Nein, die Menschen im Iran, die sich eine konstitutionelle Monarchie wünschen, gehören nicht der „älteren Generation“ an – so wie von einigen gerne behauptet –, sondern vor allem auch der jüngeren Generation. Die jungen Menschen beziehen sich bei ihren plakativen Flyern und Protest-Slogans immer wieder auf mythologische Figuren (Helden und Antihelden) aus dem „Buch der Könige“. Denn diese sind es, die ihnen das Gefühl verleihen, dass sie für etwas Größeres kämpfen: für das Überleben eines ganzen Landes und seines kulturellen und historischen Überlebens.


Wir dürfen diese Wünsche nicht einfach untergraben, weil wir politisch ein paar Nuancen weiter weg davon stehen. Wir dürfen nicht verheimlichen, dass Majid Reza Rahnavard, der junge Kämpfer, der hingerichtet wurde, ein Monarchist war und den letzten Schah verehrte. Wir dürfen nicht verheimlichen, dass Khaled Pirzadeh, der Ex-Bodybuilder, der von den Gefängniswärtern der Islamischen Republik im Gefängnis so gefoltert wurde, dass sein Körper zwar gebrochen, aber sein Kampfgeist noch feuerwach ist, ein bekennender Monarchist ist. Wir dürfen nicht verheimlichen, dass nicht nur Menschen aus bestimmten Regionen besonders hart verfolgt werden, sondern auch Menschen einer bestimmten politischen Richtung: nämlich Monarchist*innen.


Die Vergangenheit korrigieren und die Zukunft neu schreiben


Der Wunsch nach einer konstitutionellen Monarchie basiert also u.a. auf den brutalen und kontinuierlichen Anstrengungen der Islamischen Republik, die iranische Identität zu vernichten; altiranische Festlichkeiten mit Schiitischen zu ersetzen; historische Stätten der Andacht, wie Kuroschs Grabmal (Pasargad) zu vernachlässigen oder zu schließen.


Sie basiert auch auf den innigen Wunsch, die für die heutige Generation nicht nachvollziehbare Islamische Revolution 1979 wieder rückgängig zu machen. Sie basiert auf der Resilienz einer Generation, die ihr geliebtes Iran vor 1979 zwar nicht erlebte, aber gebildet und intelligent genug ist, um Zeitzeug*innen forsch nach der Wahrheit und ihren Gründen zu fragen. Eine konstitutionelle Monarchie ist für viele Iraner*innen nicht rückwärtsgewandt, sondern eine Korrektur der Geschichte und gleichzeitig einer Würdigung der Jahrtausend alten Kultur des Iran.


Sie ist eine Liebesbekundung an Kyros dem Großen, der Babylon 539 v. Chr. eroberte, die Sklaven befreite und feierlich verkündete, dass alle Menschen das Recht hätten, ihre eigene Religion zu wählen. Er stellte die Gleichheit der Ethnien her und verankerte sie mit Keilschrift auf einem Tonzylinder. Die Gen-Z will beides: die Vergangenheit korrigieren und die Zukunft neu schreiben.


Die Gründe für eine vernehmbare Vorliebe für die konstitutionelle Monarchie ist deutlich und anhand von mehreren Studien belegt (Studie des erf.Institutes). Am Ende werden die Iraner*innen selbst wählen, wenn sie endlich eine echte Wahl haben. Und ob konstitutionelle Monarchie oder eine säkulare Republik, beides wird Grund zu Freudenschreien sein.


Und dennoch: Wenn Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen, sollten wir ohne Abstriche benennen, welche Vorstellungen sie dabei im Herzen tragen und sie hierfür nicht verurteilen. Wir sollten uns mit ihrer Geschichte auseinandersetzen.


Nida ist eine Twitter-Userin in ihren Dreißigern. Sie lebt seit ihrer Geburt in Deutschland und fragt sich tagtäglich, warum sie sich dem Geburtsland ihrer Eltern so intensiv und liebevoll verpflichtet fühlt. Sie liebt Animes und Schokolade.

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